Doping McLaren vermutet Vertuschung im russischen Fußball

Frankfurt · Die Doping-Vorwürfe gegen Russlands Fußball werden immer lauter. Wada-Ermittler Richard McLaren erhebt in der ARD schwere Vorwürfe: Es habe ein Vertuschungssystem im Fußball des WM-Gastgebers von 2018 gegeben.

 Richard McLaren ist Anti-Doping-Ermittler der Wada.

Richard McLaren ist Anti-Doping-Ermittler der Wada.

Foto: dpa, gam fgj hak

Gastgeber Russland droht ein Jahr vor der Fußball-WM ein neuer Doping-Skandal noch ungeahnten Ausmaßes. Der Wada-Sonderermittler Richard McLaren geht nach einem ARD-Bericht sogar davon aus, dass es im russischen Fußball ein separates Doping-Vertuschungssystem gegeben hat. Brisant für Russland: 155 beschlagnahmte Urinproben von russischen Fußballern, auf die er bei seinen Recherchen gestoßen war, werden derzeit untersucht.

"Es gab offenbar eine Bank mit sauberem Urin - und diese Bank wurde offenbar für Fußball genutzt", sagte der Kanadier laut einer Mitteilung des öffentlich-rechtlichen Senders in einem ARD-Interview, das am Mittwoch (18.50 Uhr) in der Sportschau gezeigt werden sollte.
"Ein Vertuschungssystem hat es gegeben, aber es muss noch ein anderes im Fußball gegeben haben."

Der Doping-Aufklärer geht davon aus, dass noch weitaus mehr über eine mögliche Vertuschung in Russlands Fußball aufgedeckt wird. "Es ist nur die Spitze des Eisbergs. Nun muss man in Erfahrung bringen, was alles noch unter der Wasseroberfläche ist", sagte McLaren.

Der Rechtsprofessor hatte im Juli und Dezember 2016 zwei Berichte zu Doping in Russland vorgelegt. Darin schreibt er, dass mehr als 1000 russische Athleten gedopt oder vom systematischen Dopingbetrug mit Hilfe des Staates profitiert haben. Außerdem belegte er, dass positive Dopingtests von russischen Athleten bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi ausgetauscht worden waren. McLaren hatte im Auftrag der Welt-Anti-Doping Agentur WADA ermittelt.

Das Internationale Olympische Komitee will bis Oktober entscheiden, wie Russland für den Sotschi-Betrug sanktioniert wird - ein Ausschluss von den Winterspielen 2018 in Pyeongchang ist nicht ausgeschlossen. Nun droht dem Sportland weiteres Ungemach: Ein Entzug der Fußball-WM ist nach weiteren Dopingenthüllungen unwahrscheinlich.
Möglich wäre aber nach Artikel 28 des Fifa-Disziplinarcodes der Ausschluss eines Mitgliedsverbandes. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hatte Russland von den Sommerspielen 2016 in Rio verbannt.

Die Fifa will weiterhin keine konkrete Auskunft zu Ergebnissen der Untersuchung der Dopingvorwürfe geben. "Die Fifa bestätigt, dass die Ermittlungen zu den Anschuldigungen gegen Fußballspieler, die im sogenannten McLaren-Report genannt werden, in enger Zusammenarbeit mit der Wada weitergehen", teilte die Fifa mit. Einzelheiten sollten erst mitgeteilt werden, wenn das Verfahren abgeschlossen sei. "Bis wir eine endgültige Entscheidung vom Labor haben, können wir dies nicht näher ausführen", erklärte Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura und betonte, "keine Namen offenbaren" zu wollen.

Bundestrainer Joachim Löw hat speziell in Bezug auf britische Medienberichte, wonach die gesamte russische Nationalmannschaft bei der WM 2014 gedopt gewesen sein soll, dafür wenig Verständnis. Wenn es so sein sollte, müssten Wada oder Fifa "Ross und Reiter" nennen. Niemand dürfe etwas "unter den Tisch fallen lassen".

Dies gilt umso mehr, da McLaren im ARD-Gespräch erstmals die Zahl der Dopingproben russischer Fußballer nannte, die von ihm als mutmaßlicher Teil einer Doping-Vertuschung identifiziert worden seien und noch forensisch untersucht werden müssten: "Es gibt noch 155 Proben, die nicht analysiert wurden." McLaren nimmt mit großer Wahrscheinlichkeit an, dass man bei der Analyse der 155 Proben fündig werden könnte. "Entweder hat sich jemand an den Verschlüssen zu schaffen gemacht, um den Inhalt auszutauschen oder der Inhalt ist der gleiche - aber im Urin finden sich verbotene Substanzen", sagte er.

Hinweise darauf würden sich zum Beispiel im Mailverkehr russischer Funktionäre finden. "Deutlich über dem Grenzwert", notiert ein anonymer Verfasser laut ARD-Bericht in einer Mail vom Juni 2015. "Dexamethason", ein verbotenes Stimulanz, sei im Urin des männlichen Fußballers aus der ersten russischen Liga gefunden worden. Es gehe um die Probe "3878295". Aus Ermittlerkreisen will die ARD erfahren haben, dass diese Probe von einem aktuellen russischen Nationalspieler stamme.

(sid/dpa/jado)
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