Chuck Blazer Korrupter Kronzeuge des Weltfußballs

Washington · Chuck Blazer war einer der größten Profiteure des Systems Blatter - bis er aus Eigeninteresse zum Maulwurf wurde.

Er posierte mit einem Papagei auf der Schulter, verkleidete sich als verwegener Seeräuber und verschickte Postkarten, die ihn in Santa-Claus-Pose zeigen - eine majestätisch anmutende Version von enormer Leibesfülle. Dass er mit seinem Rauschebart an den Weihnachtsmann erinnert, hat Charles "Chuck" Blazer demnach selbst mit ironischer Note aufgespießt. Über ein Treffen 2010 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin schrieb er halb augenzwinkernd, halb selbstverliebt: "Er musterte mich mit ernstem Gesicht, ohne ein Lächeln auch nur anzudeuten, und sagte: Sie sehen aus wie Karl Marx."

Blazer, in New York geboren, war von 1996 bis 2013 Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees. Im Herbst 2011, als er auf einem Motorroller auf der Fifth Avenue unterwegs war, veränderte sich sein Leben: Blazer wurde von einem Bundespolizisten des FBI und einem Fahnder der Steuerbehörde IRS, bei der er fünf Jahre lang keinerlei Einkommen angegeben hatte, gestoppt. Er habe die Wahl zwischen Handschellen oder Kooperation gehabt, schrieb die "New York Daily News". Blazer entschied sich für die Mitarbeit - auch, um seine eigene Haut zu retten und die Strafe, die ihn erwartete, abzumildern. So wurde er zum Maulwurf der Fifa. Bei den Gesprächen mit Funktionären legte er 2012 einen Schlüsselanhänger auf den Tisch, in dem ein Mikrofon eingebaut war - und schnitt die Gesprächsrunden für die FBI-Ermittler mit.

Nach einer jetzt veröffentlichten Aussage räumte Blazer jedoch bereits 2013 vor einem US-Gericht ein, gegen Bezahlung für die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2010 nach Südafrika gestimmt zu haben. Gerichtsunterlagen zufolge erklärte der Amerikaner, er habe 1992 auch Bestechungsgelder bei der Abstimmung über das WM-Gastgeberland 1998 arrangiert. Die WM ging damals nach Frankreich.

Blazer, der heute 70 Jahre alt ist und nach eigenen Worten an Darmkrebs erkrankt in einer New Yorker Klinik liegt, liebte das Leben, die Frauen, gutes Essen und das Rampenlicht. Er gilt sozusagen als Barockmensch, den manche mit Verdis Opernfigur des Falstaff vergleichen. Auf einem Blog, der seine Reisen rund um die Welt dokumentiert, ist er neben Nelson Mandela im Privatjet zu sehen, neben Franz Beckenbauer, neben Hillary Clinton. Im Trump Tower, einem Wolkenkratzer an der noblen Fifth Avenue in Manhattan, leistete sich Blazer für rund 16 200 Euro Monatsmiete ein Appartement im 49. Stock. Ein zweites, von ihm unbewohntes soll seinen Katzen als Domizil gedient haben.

Doch Blazer ließ sich nicht nur die New Yorker Bleibe von Concacaf bezahlen, dem Fußballbund für Nord- und Mittelamerika und die Karibik, sondern auch eine Ferienwohnung auf den Bahamas, eine zweite in Miami Beach, einen Hummer, den wuchtigsten aller Geländewagen, und die Autoversicherung seiner Freundin. Sein Sohn Jason, ein Physiotherapeut, war bei dem Verband medizinischer Direktor. Er wurde 2011, in seinem letzten Jahr auf dem Posten, mit rund 110 000 Euro entlohnt.

Dabei begann alles ganz harmlos auf einem Sportplatz. Im New Yorker Vorortmilieu des Westchester County trainierte Blazer die Jugendmannschaft seines Sohnes - zu einer Zeit, da der Fußball in den USA noch in den Kinderschuhen steckte. Blazer, Sohn eines Schreibwarenhändlers, hat nie selber gespielt, dafür saß er gern in Gremien, und er verstand sich darauf, Kontakte zu knüpfen.

Bei der Weltmeisterschaft in Mexiko lernte er 1986 Jack Warner kennen, einen Lehrer aus dem Inselstaat Trinidad und Tobago. Vier Jahre später kandidierte Warner für das Amt des Concacaf-Präsidenten. Blazer, der die Wahlkampagne des Freundes geleitet hatte, wurde mit dem Posten des Generalsekretärs belohnt und verlegte den Sitz der Organisation kurzerhand von Guatemala-Stadt nach New York. Mit Warner schloss Blazer einen Vertrag, der seiner Agentur Sportvertising zehn Prozent aller Einnahmen aus Sponsoring und Fernsehrechten sicherte.

1990 waren es eher symbolische Summen. Doch das änderte sich, als das Duo die schläfrige Concacaf zu einem lukrativen Unternehmen ausbaute. 1994 ließ "Mister Zehn-Prozent" die Abmachung in einem wichtigen Punkt ändern: Das Geld floss nunmehr auf ein Bankkonto auf den Kaimaninseln, wo man weder Einkommens- noch Kapitalertragssteuer kennt. Mehr als 20 Millionen Euro soll er eingestrichen haben, ehe Warner über Korruptionsvorwürfe stolperte und sein Nachfolger Blazer den Laufpass gab.

Er habe einen exzellenten Job geleistet, und die Konföderation zu dem gemacht, was sie sei, erklärte der Falstaff des Fußballs zum Abschied. "Ich bin derjenige, der für ihr gutes Einnahmeniveau verantwortlich ist", sagte Blazer.

(RP)
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