Ermittlungen gegen deutsche WM-Macher Zwanziger attackiert die Fifa

Frankfurt/Main · Die WM-Affäre ist auf der höchsten Ebene des Weltfußballs angelangt. Die Ethikkommission der Fifa hat Ermittlungen gegen die deutschen WM-Macher um Franz Beckenbauer eingeleitet. Es geht um "mögliche unlautere Zahlungen und Verträge". Alte Konflikte brechen auf. Theo Zwanziger setzt sich zur Wehr.

Theo Zwanziger – DFB-Präsident, Gladbach-Sympathisant, Sportfunktionär
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Wegen des Verdachts der Schmiergeldzahlungen und Korruption schaltet sich nun auch die Fifa in den deutschen WM-Skandal ein. Die Ethikkommission des Weltverbandes leitete am Dienstag offiziell Ermittlungen gegen Franz Beckenbauer und fünf weitere Organisatoren der Weltmeisterschaft 2006 ein. Das Verfahren richte sich auch gegen Wolfgang Niersbach, Helmut Sandrock, Horst R. Schmidt, Theo Zwanziger und Stefan Hans, teilte die Fifa am Dienstag mit.

Die Ethikhüter nehmen bei ihren Untersuchungen zwei wichtige Unterscheidungen vor: Bei Beckenbauer, Schmidt, Zwanziger und Hans geht es um potenzielle handfeste Schmiergeld- und Korruptionsvergehen. Die Kommission werde in ihrem Fall "mögliche unlautere Zahlungen und Verträge untersuchen", die der deutschen WM-Bewerbung einen Vorteil verschafft haben könnten.

Dem früheren DFB-Präsidenten Niersbach und seinem langjährigen Generalsekretär Sandrock werden dagegen lediglich die Verletzung bestimmter Verhaltensregeln vorgeworfen. Dennoch droht Niersbach eine mögliche Sperre — und somit das Ende seiner Zeit als deutscher Vertreter in den Top-Gremien bei der Fifa und der Europäischen Fußball-Union Uefa.

Entsprechend unterschiedlich fielen am Dienstag auch die Reaktionen aus. Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger will sich gegen die Fifa-Ermittlungen zur Wehr setzen und den Chef der Ethikkommission, Cornel Borbély, sogar "wegen des Verdachts der Befangenheit ablehnen". "Ich bin sehr verwundert und weise die Anschuldigungen in aller Deutlichkeit zurück"", sagte Zwanziger der Deutschen Presse-Agentur. "Im Freshfields-Report findet sich keine einzige Stelle, die ein solches Verfahren gegen mich trägt."

Der 70-Jährige erneuerte auch die Vorwürfe gegen seinen Nachfolger und Intimfeind Niersbach. "Jeder, der den Freshfields-Report gelesen hat, weiß, dass ich in dieser Affäre seit 2012 aufklären wollte", meinte er. "Wolfgang Niersbach war von Anfang an dabei, hat keinerlei Aufklärungsschritte vorgenommen und über mehrere Monate im Sommer 2015 sein eigenes Präsidium getäuscht. Und jetzt soll er offenbar mit Samthandschuhen angefasst werden? Da stimmt doch etwas nicht."

Niersbach hat der Fifa seine Mitarbeit zugesagt. "Selbstverständlich werde ich in diesem Verfahren in jeder Hinsicht kooperieren und die Untersuchungen der Ethikkommission, in deren Arbeit ich uneingeschränktes Vertrauen habe, unterstützen", schrieb er der Deutschen Presse-Agentur per E-Mail. Der 65-Jährige legt wert darauf, dass es bei den Ermittlungen gegen ihn "ausschließlich um einen möglichen Verstoß aus dem Jahr 2015 gegen die Meldepflicht" gehe.

Trotzdem könnte dieses Verfahren am Ende vor allem für ihn Konsequenzen haben. Niersbach trat im Zuge des WM-Skandals zwar als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes zurück, sitzt aber noch immer im Exekutivkomitee der Fifa und der Uefa.

Im Vorfeld der WM 2006 gehörte er genau wie Zwanziger, Schmidt und die Schlüsselfigur Beckenbauer zum Organisationskomitee (OK). Hans und Sandrock waren bei der Ausrichtung des Turniers für die Bereiche Finanzen bzw. Organisation zuständig. Die neue DFB-Führung reagierte zurückhaltend auf die Fifa-Ermittlungen. Man habe sie "zur Kenntnis genommen", teilte Interimspräsident Rainer Koch mit. "Wir werden uns im DFB-Vorstand mit dem Vorgang befassen und im Lichte der Ermittlungen der Ethikkommission eine Bewertung vornehmen."

Grundlage der Fifa-Untersuchungen ist der Bericht der Wirtschaftskanzlei Freshfields, die vom DFB mit der Aufklärung der Affäre beauftragt worden war. In ihrem mehr als 300-seitigen Report hatten die Freshfields-Anwälte Anfang März veröffentlicht, dass es zwar Stand jetzt keine Beweise für einen Stimmenkauf vor der Vergabe der WM im Jahr 2000 gebe. Man könne diesen Verdacht gegen die deutschen WM-Bewerber aber auch nicht entkräften.

Die gesamte Affäre und auch der Freshfields-Report sind durchsetzt mit fragwürdigen Vorkommnissen und Geldflüssen. Im Zentrum stehen nach wie vor zwei Zahlungen über 6,7 Millionen Euro. Mit Hilfe des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus überwiesen der OK-Chef Beckenbauer und sein Manager Robert Schwan diese Summe 2002 zunächst über ein Konto in der Schweiz an eine Firma des früheren Fifa-Funktionärs Mohamed bin Hammam in Katar. 2005 zahlte das WM-OK die 6,7 Millionen verschleiert an Louis-Dreyfus zurück.

Fraglich ist nach wie vor, welchen Zweck diese 6,7 Millionen hatten. Dienten sie der Sicherung eines Fifa-Zuschusses für das Turnier, wie die deutschen WM-Macher stets behaupten? Floss das Geld am Ende in den Wahlkampf des damaligen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter? Oder wurden damit tatsächlich Wahlmänner des Weltverbandes bestochen?

(seeg/dpa)
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