Talente auf Vorrat Chelseas Verleiharbeiter

London/Düsseldorf · Englands Meister FC Chelsea betreibt ein besonderes Transfermodell. Er leiht bis zu 38 Spieler pro Saison aus. Auch Borussia Mönchengladbach gehörte zu den Abnehmern.

 Spieler kommen und gehen beim FC Chelsea.

Spieler kommen und gehen beim FC Chelsea.

Foto: Ferl/RP

Arsène Wenger hat einen großen Wunsch. "Derzeit sind Nachwuchsteams so organisiert, dass die besten Spieler zu den reichsten Vereinen gehen, wo sie geringere Chancen haben, sich zu entwickeln. Man muss also sicherstellen, dass das System die besten jungen Spieler gleichmäßig aufteilt", sagt der Trainer des FC Arsenal. Das ist ein frommer Wunsch. Er weiß, dass die Wirklichkeit anders aussieht.

Große Klubs sammeln Talente auf Vorrat. Sie nehmen früh vom Markt, was für die Konkurrenz interessant werden könnte. Der FC Chelsea hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Er holt jedes Jahr vielversprechende Fußballer und verleiht sie anschließend. Fast 40 Akteure werden pro Saison woanders geparkt. Die Idee dahinter: Werden die jungen Spieler gut genug für Chelseas Ansprüche, landen sie vertragsgemäß wieder in London. Erfüllen sie die Erwartungen nicht, verkauft der Klub sie oder verleiht sie weiter.

Chelsea wurde bereits mit dem Vorwurf des Menschenhandels belegt. Unter anderem 2014 vom deutschen Weltmeister Christoph Kramer in einem Interview mit dem "Spiegel". Chelseas Technischer Direktor Michael Emenalo versichert: "Wir schicken die Spieler weg, weil wir sie spielen und sich weiterentwickeln sehen wollen." Tatsächlich betrachtet Chelsea Talente in erster Linie als Geldanlage.

Christensens Leihe für alle ein Gewinn

Borussia Mönchengladbachs hat davon schon profitiert. Der niederrheinische Bundesligist lieh sich für zwei Jahre den Verteidiger Andreas Christensen von Chelsea aus, nun hat er Reece Oxford (von West Ham) unter Leihvertrag. Sportdirektor Max Eberl erklärt: "Für uns sind Leihgeschäfte die Möglichkeit, Spieler zu bekommen, die wir uns sonst gar nicht leisten könnten." Christensen spielte in Gladbach so gut, dass er heimbeordert wurde. Sein Vater Sten bezeichnete die Leihe seines Sohnes als "den besten Schritt, den er jemals gemacht hat". Es war diesmal ein Geschäft, von dem alle Parteien profitiert haben.

Bei Kevin de Bruyne oder Romelu Lukaku durften sich die "Blues" wiederum als großer Sieger fühlen, die beiden bescherten nach Leihen einen Transfergewinn von insgesamt 33 Millionen Euro. Gehalt musste Chelsea zu keiner Zeit überweisen, das übernahmen die aufnehmenden Klubs. Einer Reihe von Nachwuchshoffnungen verbaute das System aber die Karriere. Gaël Kakuta galt für viele Fachleute als kommender französischer Fußballstar auf internationaler Bühne, heute dümpelt er mehr schlecht als recht beim FC Amiens in seiner Heimat herum. Marko Marin absolvierte vier Leihstationen in vier Jahren, bevor er letztlich 2016 von Chelsea nach Piräus verkauft wurde. Ein Rückschritt für den 16-maligen deutschen Nationalspieler.

Chelsea geriet bereits an den Rand der Legalität. 2009 verhängte die Fifa eine Transfersperre wegen "Verleitung zum Vertragsbruch" beim schon erwähnten Franzosen Gaël Kakuta. Der Internationale Sportgerichtshof CAS hob das Urteil ein Jahr später auf.

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Der Kakuta-Prozess verdeutlicht allerdings ein zentrales Problem der "Chelsea-Methode". Der Wille des einzelnen Spielers zählt so gut wie nicht. Bertrand Traoré, den Chelsea 2016 nach Amsterdam verlieh, sagt: "Ich habe mich bereit gefühlt, fühle mich immer noch bereit für Chelsea. Ich habe die Leihe nicht kommen sehen."

Fifa-Präsident Gianni Infantino kritisiert das System scharf. 2015 reichte die Spielergewerkschaft Fifpro eine offizielle Beschwerde bei der zuständigen Brüsseler Kommission ein, beklagte eine "Versklavung" und formulierte die Befürchtung, dass ohne Änderungen beim Transferrecht bald nur noch wenige Profiklubs überleben könnten. Die geforderten Anpassungen erfolgten nicht. Chelsea findet auch darin eine Rechtfertigung für sein Geschäftsmodell.

2016/17 waren 38 Spieler des Klubs an andere Klubs ausgeliehen.

(RP)
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