Nachwuchskoordinator in Guangzhou Entwicklungshelfer Pezzaiuoli: "In China fehlen die Bolzplätze"

Guangzhou/Köln · Das Fußball-Entwicklungsland China träumt ganz offiziell vom WM-Titel. Mithelfen soll dabei unter anderem der ehemalige Bundesliga-Trainer Marco Pezzaiuoli, der im Reich der Mitte als Nachwuchskoordinator arbeitet.

Das ist Marco Pezzaiuoli
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Foto: dapd

Den "Traumjob Bundesliga-Trainer" war Marco Pezzaiuoli einst nach nur vier Monaten wieder los, doch in China startete der ehemalige Coach von 1899 Hoffenheim Ende 2014 sein nächstes großes Fußball-Abenteuer. Als Nachwuchskoordinator beim Serienmeister Guangzhou Evergrande soll der 47-Jährige im Reich der Mitte Grundlagenarbeit leisten - damit das fußballerische Entwicklungsland schon bald in die absolute Weltspitze vorstoßen kann.

Denn die Ansprüche in der bevölkerungsreichsten Nation der Erde, das zeigt nicht erst die jüngste Transferoffensive chinesischer Klubs, sind gewaltig. Staatspräsident Xi Jinping brachte im vergangenen Jahr ein umfassendes Konjunkturprogramm auf den Weg. Der ambitionierte Plan des fußballbegeisterten Politikers: China soll schon bald an einer WM teilnehmen, ein Turnier ins eigene Land holen und schließlich den Titel gewinnen.

Pezzaiuoli muss angesichts von so viel Optimismus beim Weltranglisten-82. schmunzeln. "Das ist schon ein wenig unrealistisch", sagt der gebürtige Mannheimer im Gespräch mit dem SID und lacht. Insgesamt hinke die Entwicklung in China rund 30 Jahre hinterher, analysiert der langjährige Junioren-Nationaltrainer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB): "Das Fundament ist zwar gelegt, aber die Weltmeisterschaft noch in weiter Ferne."

FC Barcelona besiegt Guangzhou Evergrande und steht im Finale
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Foto: afp, kn/DD

Die Probleme des chinesischen Fußballs sind schließlich vor allem struktureller Natur. Es fehlen Bolzplätze, Trainer und vor allem die richtige Kultur für den Sport. Nicht umsonst gibt es unter den insgesamt 1,37 Milliarden Chinesen derzeit nur rund 8000 aktive Fußballer. "Der Fußball boomt, aber noch nicht auf der Straße", sagt Pezzaiuoli.

Dabei ist die Begeisterung in der Bevölkerung enorm. Das Stadion der Profi-Mannschaft von Evergrande etwa sei mit 60.000 Zuschauern stets ausverkauft, berichtet Pezzaiuoli. Auch die TV-Übertragungen der europäischen Top-Ligen erfreuen sich großer Beliebtheit und wenn im Sommer die Schwergewichte des Klub-Fußballs auf Promo-Tour gehen, bekommen sie die Begeisterung in China oft hautnah zu spüren.

Damit jetzt jedoch auch die chinesische Liga und die Nationalmannschaft Fortschritte machen, klotzt der Staat mittlerweile mächtig ran. Fußball wurde unlängst zum Schulfach erklärt, mit viel Geld werden überall im Land moderne Förderzentren errichtet und mit den zahlreichen Trainern aus Fußball-Topnationen ausländisches Know-how hinzugeholt.

Pezzaiuoli beispielsweise arbeitet in Guangzhou an der mit 3000 Kindern größten Fußball-Akademie der Welt. Als Trainer der U17, U18 und U19 des Klubs sowie der Auswahl der Provinz Guangdong soll er den Nachwuchs fit machen für die Zukunft. Sein Vertrag läuft bis 2017, wie es dann weiter geht lässt Pezzaiuoli offen. "Ich denke mittlerweile im Fußball sehr kurzfristig", betont er.

Das Geschehen in der Bundesliga verfolgt Pezzaiuoli derweil auch aus der Ferne noch beinahe täglich. Er bewundert Pep Guardiola, der "den Stil der Bayern revolutioniert hat" und verfolgt auch den Weg seines ehemaligen Klubs Hoffenheim, der ihn im April 2011 entlassen hatte, aufmerksam. "Mit den Erfahrungen der letzten Jahre wissen sie vielleicht, dass das damals gar nicht so schlecht war", sagt er: "Ein wenig mehr Demut hätte wohl gut getan."

(sid)
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