Flugzeugabsturz in Kolumbien Chapecó trauert um seine Fußball-Helden

Chapecó · In Kolumbien ist ein Flugzeug abgestürzt. An Bord befand sich auch die brasilianische Fußballmannschaft Chapecoense. Der südamerikanische Fußball steht unter Schock.

Flugzeugabsturz in Kolumbien: Chapecoense-Fans trauern um Helden
Foto: Google Maps

Ganz leise singen die Fans das Lied, das jeder brasilianische Fußball-Fan so verinnerlicht hat: "Ich bin Brasilianer, voller Stolz", diesmal fügen sie noch den Namen ihres Klubs hinzu: Chapecoense. Normalerweise brüllen sie diesen Song, doch die Trauer schnürt den meisten Anhängern die Kehle zu. Die Szenen, die sich wenige Stunden nach dem Absturz eines Charterfliegers auf dem Landeanflug in der kolumbianischen Metropole Medellin abspielen, sind gespenstisch. Die Fans trauern um ihre Mannschaft, die rund sechs Flugstunden entfernt in Bergen um Medellin mit dem Flugzeug zerschellte. Nun treffen sich die Chapecoense-Fans vor dem Klubhaus und in der Nähe ihres Heimspielstadions Conda. Insgesamt 71 Tote soll das Unglück nach Informationen von Dienstagabend gefordert haben.

Hier in Chapecó, einer Provinzstadt in der Region Oeste Catarinense, im Westen des Bundesstaates Santa Catarina, hatte man sich eigentlich auf den größten Tag der Vereinsgeschichte gefreut: Erstmals hat der kleine Klub mit den weißgrünen Farben das Finale eines internationalen Klubwettbewerbs erreicht. Chapecoense hat nicht die Strahlkraft wie die großen Klubs Flamengo aus Rio de Janeiro oder Corinthians aus Sao Paulo, dafür eine kleine, aber treue Fangemeinde.

Gastgeber wäre Atletico Nacional aus Medellin gewesen. Die aktuell beste Klubmannschaft des Kontinents, Gewinner der südamerikanischen Champions League, wollte ebenfalls Geschichte schreiben. Mit Trainer Reinaldo Rueda, der drei Jahre lang an der Sporthochschule in Köln studierte, wollten sie auch das zweite südamerikanische Klubfinale innerhalb eines Jahres gewinnen. Und in zwei Wochen bei der Klub-WM in Japan Real Madrid vom globalen Thron stoßen. "Ich bin am Boden zerstört. Meine Gedanken und Gebete sind bei den Angehörigen der Spieler von Chapecoense", sagt Trainer Rueda im Gespräch mit unserer Redaktion. "Alles andere ist zweitrangig." Atlético fragte bei der Südamerikanischen Konföderation Conmebol an, "ob die Copa Sudamericana als Ehrentrophähe für den großen Verlust und als posthume Hommage an die Opfer des fatalen Unfalls an Chapecoense gegeben werden könne."

Paulo Rink spielte für Chapecoense

Auch Paulo Rink ist entsetzt. "Ich habe viele Spieler persönlich gekannt", sagt der frühere deutsche Nationalspieler, der in Brasilien geboren ist, unserer Redaktion in einem Interview. Er war Mitte der 1990er Jahre Torjäger des Klubs mit den für Europäer so unaussprechlichen Namen. "Ein kleiner, aber sehr herzlicher Klub, der mit die Chance gegeben hat, mich zu beweisen." Von Chapecoense ging es nach Leverkusen und später — mit einem deutschen Pass — auch bis in die Nationalmannschaft.

Rink ist inzwischen Kommunalpolitiker in seiner Heimatstadt Curitiba. Bereits bei der WM 2014 war er als WM-Botschafter aktiv. In WM-Stadion von Curitiba sollte das Final-Rückspiel stattfinden, weil die Arena in Chapecó zu klein ist und nicht dem Standard für internationale Top-Spiele entspricht. Der Verein war in der "Copa Sudamericana", die der Europa League entspricht, einfach zu gut. "Ich stand mit dem Klubpräsidenten in Kontakt und habe geholfen, alles vorzubereiten. Ich weiß nicht wie es mit Chapecoense weitergehen soll. Die Mannschaft ist ja praktisch ausgelöscht, wenn sich das alles bestätigt."

Am Wochenende sollte in Brasilien eigentlich der letzte Spieltag der Meisterschaftssaison stattfinden. Der Klub, der jetzt keine Spieler, keinen Trainerstab und keinen Vorstand mehr hat, sollte laut Spielplan gegen Atletico Mineiro antreten. "Das ist undenkbar", sagt Rink. Der brasilianische Fußball-Verband CBF sagte dann auch alle Spiele für die nächsten sieben Tage ab, darunter das nationale Pokalfinale am Mittwoch sowie den letzten Spieltag der Liga am Wochenende.

Einige Spieler haben das Unglück überlebt, die Abwehrspieler Alan Ruschel und Neto sowie Torhüter Jackson Follmann sollen unter den Überlebenden sein. Auch eine Stewardess mit deutschen Wurzeln. Doch verlässliche Nachrichten aus der schwer zugänglichen Region gibt es kaum. Der Flughafen von Rionegro liegt etwa 45 Minuten außerhalb von Medellin inmitten der Anden. Airbus ließ hier einst seinen A380 testen, weil die Techniker wissen wollten, wie der Riesenflieger auf Starts und Landungen in der Höhe reagiert. Der Flughafen ist auch berüchtigt wegen des wechselnden Wetters: Gewitter und Nebel machen es den Piloten schwer. Absturzursache des bolivianischen Fliegers vom Typ RJ85, der immer wieder mal von südamerikanischen Fußball-Mannschaften gechartert wurde, sollen elektronische Probleme gewesen sein. Für die Kleinstadt Chapecó und ihren Verein wird dieser Tag der dunkelste in der Geschichte bleiben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort