Martin Kind pocht auf Benehmen "Sind Leute, denen viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird"

Düsseldorf · Weil er die Mehrheit an Hannover 96 übernehmen will, zieht sich der Präsident und Investor des Fußball-Bundesligisten den Zorn der Traditionalisten zu. Damit kann der 73-Jährige leben, nicht aber mit dem Ton, in dem der Streit geführt wird.

Martin Kind: Unternehmer, Hörgeräte-Hersteller, Hannover-Präsident
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Das ist Martin Kind

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Foto: dpa, nt nic

Am kommenden Montag wird mal wieder über die Zukunft der Fußball-Bundesliga entschieden. Tatsächlich wird an diesem Tag wohl ein wegweisender Beschluss verkündet. Es geht darum, ob der Unternehmer Martin Kind die Mehrheit an Hannover 96 übernehmen darf. Die vereinsinternen Gremien haben ihm schon den Weg geebnet, den Antrag auf Ausnahmeregel hat er gemeinsam mit dem Verein Hannover 96 und der ausgegliederten Kommanditgesellschaft gestellt. Die Liga (DFL) prüft den Vorgang seit Wochen. In Deutschland dürfen Investoren zwar die Mehrzahl der Gesellschaftsanteile halten, doch die Stimmmehrheit (mindestens 50,1 Prozent) muss im Besitz des Vereins bleiben. Mittlerweile gibt es ein paar Ausnahmen von der sogenannten 50+1-Regel. Außerdem wurde 2011 in den DFL-Statuten verankert, dass auch noch weitere Ausnahmen genehmigt werden können. Dafür muss ein Unternehmen oder eine Privatperson einen Verein mehr als 20 Jahre ununterbrochen und in erheblichem Maße gefördert haben.

Gestern Mittag auf dem Sportkongress "SpoBis" in der Düsseldorfer Messe hat Martin Kind ein Heimspiel. Hier muss er niemanden von seiner Botschaft überzeugen, dass man als Investor nicht bereit ist, Millionen in einen Klub zu pumpen, wenn man am Ende noch nicht einmal darüber mitbestimmen darf, welcher Kaffee im VIP-Bereich ausgeschenkt wird.

Kind findet vieles wahlweise ungerecht und/oder total überbewertet. Warum protestieren Fans von Hannover 96 gegen ihn? Einem Mann, der sich jahrzehntelang zum Wohl des Vereins eingesetzt hat, wie er es ausdrückt. "Da brüllen 500 bis 600 Leute, die verstanden haben, dass ein Bundesligastadion eine ideale Bühne ist, um ihre Meinung zu verbreiten", befindet der 73-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion. "Aber das ist ja nicht die Mehrheit im Verein. Das sind Leute, denen viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ich halte das aus, überhaupt kein Problem."

Er habe sehr wohl Verständnis für eine andere Auffassung von Fußballkultur und könne auch Ängste der Fans verstehen. Die Umgangsformen missfallen ihm indes. "Wenn Leute ,Kind, Du Sohn einer Hure' skandieren, dann tut das einfach weh. Das halte ich für kein Mittel der Auseinandersetzung."

Es ist nicht leicht, im Gesicht von Kind eine Stimmungslage abzulesen. Er erzählt routiniert seine Geschichte, Sätze, die er so oder ähnlich schon hundert Mal gesagt hat, weil er sie sagen will, weil ihm wichtig ist, dass er mit seiner Sicht gehört wird. In den vergangenen Wochen hat mal wieder der Kampf um die Meinungshoheit rund um seine Übernahmepläne getobt.

Es ist auch eine mediale Schlacht, in dem beide Seiten bewusst die Öffentlichkeit mit Informationen füttern, um die Stimmung zu beeinflussen. So wurde etwa die Frage aufgeworfen, ob Kind ausreichend Geld in Hannover gesteckt hat, damit die Vorgabe der DFL, dass eine Förderung in "erheblichem Maße" stattgefunden hat, erfüllt ist. Wie viel Geld er in das Projekt "96" bislang gesteckt hat, will Kind (Marktführer im Hörgeräte-Einzelhandel) nicht sagen. "Wir waren immer bereit, das zu investieren, was notwendig ist für die anstehenden Prozesse. Aber nicht mehr", erzählt er. "So ticken wir nicht. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir mit relativ geringem Einsatz relativ viel geschaffen haben." Er will damit sagen, er habe mit wenig Einsatz viel erreicht. Kind lächelt. Es geht ihm auch um die Frage des Anspruchsdenkens. "Es gibt hierzulande viele Leute, die alles haben möchten, aber nicht bereit sind, dafür auch etwas zu geben. Das ist etwas sehr Spezielles, was man so in vielen anderen Ländern nicht kennt."

In Deutschland hat das Investorenmodell einen schweren Stand. Und die Ängste der Fans sind durch das Gebaren von Hasan Ismaik beim TSV 1860 München gewiss nicht weniger geworden. Der Jordanier hatte dort die Sehnsüchte bedient, mit seinem Geld den Verein in die Lage zu bringen, wieder zu einer großen Nummer aufzusteigen. Ismaik hat die Löwen ganz nach oben geführt. Der Klub ist Spitzenreiter - in der Regionalliga. Und Ismaik hat sich genervt abgewandt. "Aber das ist ja ein ganz anderer Fall", sagt Kind. "1860 München hat Anteile an ihn verkauft, weil man sich etwas Bestimmtes versprochen hat. Ich bin ja kein Investor, der über Nacht vom Himmel gefallen ist, sondern begleite Hannover sehr, sehr lange. Aber natürlich ist das nicht gut, wenn einer wie Ismaik solche Dinge macht. Er kommt halt aus einem anderen Kulturkreis und kannte sich mit unseren Spielregeln nicht aus. Das kommt dann dabei heraus."

Kind blickt verstimmt drein. "Es kann am Ende nur eine Entscheidung geben - nämlich zu unseren Gunsten. Sollte es aus welchen Gründen auch immer anders kommen, sind die kommenden juristischen Schritte natürlich schon vorbereitet. Aber ich gehe nicht davon aus, dass es dazu kommen muss."

(gic)
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