Uwe Seeler im Interview "Bei mir knackt viel"

Hamburg · Uwe Seeler feiert am Samstag seinen 80. Geburtstag. Die Hamburger Fußball-Legende spricht im Interview über Ostereier auf Trümmergrundstücken, seinen HSV und Cristiano Ronaldo.

Nach dem Tod: Das waren die besten Sprüche von HSV-Legende Uwe Seeler
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Die besten Sprüche des Uwe Seeler

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Foto: AP

Herr Seeler, können Sie sich bei all dem HSV-Ärger überhaupt vernünftig auf Ihren 80. Geburtstag vorbereiten?

Seeler Da brauche ich mich nicht groß vorzubereiten. Aber wenn man unterwegs ist - da haben Sie recht - egal wo, wird man auf den HSV angesprochen. Das stresst irgendwann auch. Aber nun gut. Mein Vater hat immer gesagt: 'Gib anständig Auskunft und antworte.' Und das habe ich bis zum heutigen Tag gemacht.

Haben Sie denn Angst, dass die Bundesliga-Uhr bald nicht mehr tickt?

Seeler Darüber denke ich nicht nach. Aber zurzeit sieht es ziemlich bedrohlich aus. Wir müssen dringend punkten, denn zwei Punkte nach neun Spielen ist ein bisschen wenig. So wie in den letzten Spielen kann man sich eigentlich nicht präsentieren. Man darf ja nicht vergessen, dass es gut bezahlte Vollprofis sind. Da darf man zumindest erwarten, dass die Spieler anderthalb Stunden kämpfen, laufen und marschieren.

Solche Vorwürfe gab es bei Ihnen nie. Auf dem Feld waren Sie vorbildlicher Kämpfer und Vollstrecker, abseits gelten Sie als Musterbeispiel für Bodenständigkeit und Bescheidenheit. Eine Frage der Erziehung?

Seeler Das kam aus dem Elternhaus. Mein Vater, der auch ein großer Fußballer war, hat gleich zu meinem Bruder und mir gesagt: 'Wenn Ihr verrückt spielt, dann kriegt Ihr ein paar an die Ohren. Geld ist nicht alles.' Wir hatten nie einen Grund abzuheben. Wir sind stinknormal - und das ist wunderbar. Es ist das Schönste, was man sich überhaupt wünschen kann. Damit bin ich immer sehr gut gefahren.

Was denken Sie, wenn Sie Spieler wie Cristiano Ronaldo sehen?

Seeler Garnichts. Hauptsache, er legt sein Geld gut an. (lacht) Es ist ja immer die Frage, die man sich stellen muss: Wie gut kann einer Fußball spielen, dass er so viel Geld verdient. Wenn er vernünftig ist und sein Geld für die Zeit nach der Karriere gut anlegt, dann ist das aber alles in Ordnung.

80. Geburtstag - das ist ein Anlass, bei dem man auch einen Blick in den Rückspiegel wirft. Nehmen Sie sich bewusst Zeit dafür und lassen Ihr bewegtes Leben Revue passieren?

Seeler Nö. Ich glaube, wenn man mit seiner Lebensweise zufrieden ist, dann braucht man nicht viel zurückzublicken. Man muss nur versuchen, in dem Alter gesund zu bleiben. Wenn es so weiterläuft wie bislang, dann bin ich glücklich.

Sie sind noch ziemlich fit. Gibt es ein Geheimnis dahinter?

Seeler Bei mir knackt viel. Das bleibt nicht aus bei den vielen Verletzungen, die ich hatte. Aber es geht mir gut. Ich will ja keine Bäume mehr ausreißen. Man muss nur richtig dosieren und keine Hektik haben. Meine Frau und die älteste Tochter passen auf, dass ich nicht zu viel am Tag mache.

Können Sie sich noch an Ihre Anfänge beim Fußball erinnern?

Seeler Na klar. Die Mittel waren äußerst gering, denn unmittelbar nach dem Krieg gab es ja nichts. Der Straßenfußball hat mich damals fasziniert. Wir haben auf Trümmmergrundstücken oder Kopfsteinpflaster gespielt, aber das hat Spaß gemacht. Die Fußbälle damals waren nicht rund, sondern Ostereier. Aber das hat uns alles nichts aus gemacht. Wir haben auf den Straßen gebolzt, es gab kaum Autos. Dann ging es zum HSV. Wir hatten jeden Sonntag Wettspiel, und dann hat das so seinen Lauf genommen. Mich hätte man mitten in der Nacht rausholen können, wenn es um Fußball ging. Mir hat es einfach riesigen Spaß gemacht. Und wenn es anderen auch Spaß gemacht, wie man das gemacht hat: Wunderbar.

Wann haben Sie Ihr besonderes Talent bemerkt?

Seeler Das hat man mir schon als Jüngling gesagt. Ich habe immer bei den Größeren mitgespielt. Und wenn wir gewählt haben, dann war ich immer der erste, der genommen wurde. Fußball war alles für mich.

Auch der HSV war schnell alles für Sie. Den Verein haben Sie trotz zahlreicher Angebote nie gewechselt. Bei einem Angebot von Inter Mailand soll im April 1961 sogar eine Million Mark allein an Handgeld auf dem Tisch gelegen haben.

Seeler Ich hätte tatsächlich oft wechseln können, da gab es einige Möglichkeiten. Richtig verhandelt habe ich aber nur mit Inter Mailand. Das war auch alles sehr ordentlich, aber ich habe mich dann doch für den HSV und den Beruf entschieden. So wie ich es gemacht habe, war es richtig. Und wenn man das heute so sagen kann, ist es in Ordnung.

Welchen Stellenwert nimmt der Fußball heute in Ihrem Leben ein?

Seeler Einen sehr großen. Ich gucke ja sehr gern Fußball, rauf und runter. Ich gucke alles an und freue mich über die Nationalmannschaft und auch den HSV. Leider waren die letzten Jahre beim HSV nicht so erfreulich. Wenn ich im Stadion bin, muss ich mir mittlerweile Herzschoner anschaffen.

Verfolgen Sie den HSV auch übers Internet? Haben Sie ein Smartphone?

Seeler Das kann ich Ihnen mal zeigen. (Seeler kramt ein blaues Smartphone mit Rautenaufkleber hervor.) Früher hatte ich einen alten Knochen, nun habe ich dieses Telefon. Da kann man fast alles drauf machen, aber ich kann nur telefonieren. (Seeler lacht und tippt auf die Raute) Schön, nech? Die hat meine Frau darauf geklebt.

Sie tragen die Raute noch immer mit Stolz?

Seeler Absolut. Daran ändert sich auch nichts. Ich hoffe, dass sie wieder auf die Füße kommen.

Am Samstag, ihrem Geburtstag, spielt der HSV zu Hause gegen Borussia Dortmund. Haben Sie einen Wunsch an das Team?

Seeler Dortmund ist natürlich kein leichter Gegner. Aber ich hoffe, dass die Mannschaft gut spielt und mindestens einen Punkt holt. Das würde ich mir wünschen. Aber man müsste sich ja fast schon drei Punkte wünschen, weil ein Punkt in der momentanen Situation zu wenig ist. Wir müssen schleunigst Punkte sammeln, um wieder ein bisschen Luft zu kriegen.

Haben Sie noch Träume? Gibt es Dinge, die Sie sich ganz persönlich zum Geburtstag wünschen?

Seeler Ich? Nein. Ich persönlich will nur gesund bleiben, damit ich noch ein paar schöne Jahre hab. Zum 80. Geburtstag kann man sich nichts Besseres wünschen.

(sid)
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