Ungeliebter vierter Platz DFB-Frauen verlassen Kanada mit "Kack-Gefühl"

Edmonton · Nach dem vergeigten WM-Abschluss nimmt Bundestrainerin Silvia Neid ihre Kritiker mit in die Verantwortung - gemeinsam sollen Lehren für die Zukunft gezogen werden.

Frauen-WM: Deutschland unterliegt England im Spiel um Platz drei
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Deutschland unterliegt England im Spiel um Platz drei

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Bevor die deutschen Fußballerinnen mit leeren Händen und einem "Kack-Gefühl" in den Flieger stiegen, sprach Bundestrainerin Silvia Neid mit ihren Kritikern Klartext. "Ich finde es gut, dass sich die Trainer wie Colin Bell Gedanken machen. Nur man muss auch dafür sorgen, dass die Spielerinnen sich weiterentwickeln", antwortete die 51-Jährige auf die Frage, ob sie die heimatlichen Sorgen um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit ihrer Auswahl in der Weltspitze teile.

Unmittelbar zuvor hatte ihre Mannschaft gerade beim WM-Abschluss im kleinen Finale gegen England erneut nicht ihr Potenzial abgerufen. 0:1 (0:0) verlor der zweimalige Welt- und achtmalige Europameister nach Verlängerung, weil diesmal zwar Torchancen herausgespielt, aber allesamt vergeben wurden. Seit dem Achtelfinale gegen Schweden (4:1) erzielte die DFB-Auswahl keinen Treffer mehr aus dem Spiel heraus. Da Tabea Kemme dann auch noch unnötig den Foulelfmeter von Fara Williams (108.) verschuldete, klappte es nicht mal mit dem WM-Trostpreis.

Frauen-WM: Silvia Neids Spielerinnen schieben Frust
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DFB-Team schiebt Frust

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DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sprach Neid allerdings sein Vertrauen aus. "Mit den Erkenntnissen des Turniers und ihrer Erfahrung wird Silvia Neid die Mannschaft optimal auf Rio vorbereiten", betonte der 64-Jährige. Er zeigte sich im Großen und Ganzen mit dem Abschneiden zufrieden: "Auch wenn es diesmal nicht für ganz oben gereicht hat, bleibt das positive Fazit, dass wir zu den besten vier Teams der Welt zählen und uns für Olympia qualifiziert haben."

Die zweite WM-Niederlage in Folge, zudem die erste überhaupt in 21 Duellen mit England, trübt die Bilanz und befeuert die Kritik aus der Bundesliga. Vor allem Bell (Frankfurt) und Chefkritiker Bernd Schröder (Potsdam) hatten der deutschen Auswahl nach dem Halbfinal-Aus gegen die USA (0:2) schon spielerisch-technische Mängel attestiert und Neid für fehlende taktische Flexibilität und Gegenmaßnahmen kritisiert.

"Können froh sein, so weit gekommen zu sein"

Nadine Angerers nüchterner Abschied
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Nadine Angerers nüchterner Abschied

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"Je besser der Gegner, desto schwerer haben wir uns getan", räumte Neid nun ein. Nur dürfe man eben die WM-Umstände nicht ignorieren: "Wir hatten die Spielerinnen zehn Tage in der WM-Vorbereitung und das war Regeneration, weil die Spielerinnen in einem katastrophalen Zustand zu uns kamen. Wir mussten erst mal schauen, dass wir die Blessuren der Spielerinnen hinkriegen", eröffnete Neid und schlussfolgerte: "Dafür können wir froh sein, dass wir so weit gekommen sind."

Neid kündigte an, mit ihrem Scouting-Team wie gewohnt alle Eindrücke dieser WM analysieren und bei der nächsten Trainer-Tagung vorzustellen. Am Ende säßen ja alle in einem Boot und jeder müsse zur individuellen Weiterentwicklung der Spielerinnen beitragen, "weil wir sie in der Nationalmannschaft nunmal nicht das ganze Jahr haben".

Doris Fitschen verwies mit Blick auf die Zukunft auf das U20-Team, das im vergangenen Jahr die WM gewonnen hatte. Doch die Nationalmannschaftsmanagerin sagte auch: "Trotzdem haben andere Nationen aufgeholt. Da nützt es nichts, wenn wir gewisse Dinge nur in der Nationalmannschaft einüben, sondern da muss von kleinauf an dran gearbeitet werden." Von den Französinnen müsse man sich beispielsweise "diese starke Technik unter Gegnerdruck" abschauen.

DFB-Spielführerin Nadine Angerer, die am Abend noch in der Bar "100" ihren Abschied aus der Nationalmannschaft feierte, bat um eine differenzierte Betrachtung der WM-Leistungen: "Wir sind eine sehr kritische Mannschaft, wir beweihräuchern uns nicht und lassen uns für Fehler wie im Torabschluss und beim finalen Pass kritisieren.
Der Rest ist aber total übertrieben."

Da es wegen der Torflaute aber nichts wurde mit Bronze zum Abschied, verließ nicht nur Alexandra Popp Kanada nach fünf Wochen mit einem "Kack-Gefühl" - weil sie sich selbst Vorwürfe machte: "Es wäre mehr drin gewesen. Wir hätten kaltschnäuziger sein müssen. Das ist nicht unsere WM gewesen, zumindest zum Ende nicht."

Auch Melanie Leupolz, mit 21 eine der Jüngsten im Team, nahm erstaunlich deutlich sich und die Mannschaft in die Pflicht: "Die Trainerin stellt auf, und wir haben die Verantwortung zu spielen. Wenn wir die Tore nicht machen und nicht gut spielen, kann auch die Trainerin nichts dafür."

(sid)
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