"Die andere Bundestrainerin" Steffi Jones: Anpacken, lernen, Impulse geben
Noch stellt Steffi Jones die Hütchen auf, in Zukunft will sie die zahlreichen Skeptiker mit eigener Handschrift und Philosophie überzeugen.
Als sie die Journalisten im Teamhotel begrüßt, kann Silvia Neid sich einen flapsigen Spruch nicht verkneifen: "Sie warten auf die andere Bundestrainerin, oder?" Dass ihre zukünftige Nachfolgerin Steffi Jones vor den EM-Qualifikationsspielen am Donnerstag (16 Uhr/ZDF) gegen Russland und drei Tage später gegen die Türkei in Sandhausen (14.15 Uhr/ARD) im Fokus steht, scheint der leicht erkälteten Noch-Chefin nicht unrecht zu sein.
Wie Neid erscheint Jones im schwarzen Trainingsanzug mit neon-pinken Akzenten, in der Hand ein stattliches Notizbuch. Nach dem Quali-Auftakt mit Licht (12:0 gegen Ungarn) und Schatten (1:0 in Kroatien) ist Jones zum zweiten Mal als Co-Trainerin dabei, sagt aber schon: "Ich bin total integriert in das Trainerteam."
"Meine Meinung ist gefragt"
Die Novizin, die seit 2007 Fußballlehrerin ist, noch nie ein Team trainiert hat und nach Olympia 2016 Neids Zepter übernimmt, sei schließlich "keine Hospitantin, sondern Assistentin", betont die Bundestrainerin: "Sie ist bei allen Meetings dabei, wir tauschen uns viel aus. Sie muss reinfinden und ist ja nebenbei auch noch DFB-Direktorin."
Die 111-malige Nationalspielerin packt mit an, stellt Hütchen auf, sammelt Eindrücke. Eine Einheit hat Jones noch nicht geleitet, aber: "Meine Meinung ist gefragt." Auch die Bundesliga verfolgt die Weltmeisterin von 2003, die im Sommer bei der männlichen U19-Auswahl hospitierte, mit Argusaugen: "Ich bin sehr viel vor Ort, schaue jeden Montag alle Spiele auf Video an." Sie sichte "für Silv, aber auch perspektivisch für mich".
Perspektivisch hat die 42-Jährige ein Ziel: Ihre "eigene Handschrift und Philosophie" sollen die lauten Kritiker der DFB-Risikolösung eines Besseren belehren. Unterstützen werden sie zwei Assistenten ("ein Mann und eine Frau"), die Jones erst nach das Amtsübernahme vorstellen will. Sie werde in dem Trio aber nicht als "Repräsentantin" - wie als OK-Chefin der WM 2011 - fungieren: "Ich habe den Ehrgeiz, ein großes Vorbild zu sein." Und: "Ich bin nicht immer die liebe Steffi."
Jones ist der Kampfgeist anzumerken. "Ich war immer Führungsspielerin, konnte ein Spiel lesen", sagt die frühere Innenverteidigerin, die jüngst beim Trainerkongress in Wolfsburg bis 3 Uhr morgens mit Patrick Kluivert - heute Teamchef von Curacao - über Taktik und Systeme diskutierte.
Offen für Neues zu sein, sagt Jones, sei ihr immens wichtig. Die WM in Kanada, bei der die viertplatzierte DFB-Auswahl gegen die Top-Nationen spielerisch enttäuschte, habe zudem gezeigt, woran intensiver gearbeitet werden müsse - "in enger Kommunikation mit den Vereinen", betont Jones. Es fehle an der "mentalen Stärke", unter Druck die vorhandene technische Qualität auszuspielen.
Hightech-Trainingskäfig
Neue Wege werden bereits beschritten. Am Freitag nutzt das DFB-Team auf dem Trainingsgelände von 1899 Hoffenheim den Footbonaut - ein Hightech-Trainingskäfig, der intensives Einzeltraining ermöglicht. Als "entscheidend" sieht Jones zudem die Belastungssteuerung - zu viele Spielerinnen sind zu häufig verletzt.
Auch in Wiesbaden fehlt ein halbes Dutzend Spielerinnen. Nicht so Melanie Behringer, die als junge Spielerin noch zusammen mit Jones auf dem Feld stand: "Ich habe sie damals schon sehr gemocht.
Steffi ist ein angenehmer Typ."
Mittelfeldkollegin Lena Goeßling hebt praktische Vorteile hervor: "Wir können mit einer zusätzlichen Trainerin individueller trainieren, in kleineren Gruppen arbeiten." Inwiefern das bereits Früchte trägt, soll die nächste Pflichtübung gegen den "stärksten Gruppengegner" (Neid) Russland zeigen.