Steffi Jones beerbt Silvia Neid Endlich Kaiserin

Frankfurt/M. · Steffi Jones wird im kommenden Jahr Nachfolgerin von Silvia Neid als Frauen-Bundestrainerin beim DFB. Nach der Entwicklung in den vergangenen Monaten ist der Wechsel an der Spitze nicht mehr überraschend.

Steffi Jones: Weltmeisterin, WM-Botschafterin, Kurz-Bundestrainerin
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Das ist Steffi Jones

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Irgendjemand fand, dass Steffi Jones auch so einen klangvollen Spitznamen bräuchte. Es war die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen, und sie war das Gesicht für das Großereignis hierzulande im Sommer vor vier Jahren. Weil Franz Beckenbauer 2006 eine ähnliche Stellenbeschreibung wie sie nun hatte und auf eine mindestens so große Titelsammlung verweisen konnte, firmierte Jones schnell nur noch unter "die Kaiserin". Weil für den Frauenfußball gut ist, was Aufmerksamkeit bringt, beschwerte sich auch niemand über die begrenzte Originalität.

Während die deutsche Mannschaft bei dem WM-Turnier bereits im Viertelfinale kläglich scheiterte, stieg Jones in der Hierarchie beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) ein paar Stufen auf. Für sie wurde die Stelle der Sportdirektorin geschaffen. Im kommenden Jahr steht die 42-Jährige vor ihrer endgültigen Krönung: Jones übernimmt spätestens im Herbst 2016 das Amt der Bundestrainerin von Silvia Neid. Sollte die WM-Teilnahme im Juni in Kanada misslingen und dadurch die Olympia-Teilnahme wie 2012 verpasst werden, dürfte mit der Übergabe etwas schneller gehen.

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Nach der Entwicklung in den vergangenen Monaten ist der Wechsel an der Spitze nicht mehr überraschend. Immer wieder hat Neid durchblicken lassen, eine neue Herausforderung zu suchen. Ganz freiwillig ist dieser Wunsch allerdings nicht entstanden. Trotz großer Erfolge wurde auch immer wieder Kritik an ihrem Führungsstil laut. Und besonders das nach außen immer als blendend inszenierte Verhältnis zu Jones soll mit den Jahren sichtbare Risse bekommen haben.

Jones hat die Abteilung Glamour abgedeckt und damit vieles überstrahlt. Sie hat keinen Empfang und keinen Roten Teppich ausgelassen. Und manchmal hat sie auch ihre Meinung zu taktischen Entwicklungen bei der Nationalmannschaft beigesteuert. Diese Dominanz ist nicht überall gut angekommen. Bei Neid schon gar nicht. Sie ist immer mehr als Arbeiterin in den Hintergrund gerückt, während Jones Stück für Stück gewachsen ist.

Das ist für das Selbstverständnis von Neid gewiss nicht einfach gewesen. Schließlich wird sie als "Miss Frauenfußball" bezeichnet, weil die 50-Jährige an allen Erfolgen der DFB-Auswahl beteiligt war. Als Spielerin wurde sie 1989, 1991 und 1995 Europameisterin, in ihre Amtszeit als Co-Trainerin unter Tina Theune-Meyer fielen der WM-Triumph 2003 und die EM-Gewinne 1997, 2001 und 2005. Danach schlüpfte sie in die Chefrolle, die sie mit der WM-Titelverteidigung 2007 sowie den EM-Siegen 2009 und 2013 erfolgreich ausfüllte.

Silvia Neid: Europameisterin, Weltmeisterin, Olymiasiegerin
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Neid soll weiterhin dem DFB erhalten bleiben und als Leiterin der neuen Scoutingabteilung Frauen- und Mädchenfußball beim Verband arbeiten. Präsident Wolfgang Niersbach ist geradezu entzückt von den Neubesetzungen. "Wir binden damit die wichtigsten Köpfe im Frauen- und Mädchenfußball langfristig ein und bauen die Struktur weiter aus", sagt er. "Silvia Neid hat riesige Verdienste und wird mit ihrer Erfahrung wertvolle Impulse in ihrem neuen Bereich setzen. Steffi Jones war als DFB-Direktorin ganz nah am Fußball dran. Wir sind davon überzeugt, dass sie die richtige Nachfolgerin ist."

Genau an dieser Feststellung gibt es auf den Fluren in der DFB-Zentrale in Frankfurt hörbare Zweifel. Jones besitzt bislang keine Trainererfahrung und war allein deshalb schon nicht Wunschkandidatin. Da aber U20-Trainerin Maren Meinert gleich abgewinkt hatte, konnte Jones ihre Bewerbung fast schon als patriotische Pflicht verkaufen. In allererster Linie geht es um Macht. "Natürlich wäre es besser gewesen, wenn ich zuvor in der Bundesliga Erfahrungen hätte sammeln können", sagt die frühere Innenverteidigerin. "Aber ich habe Vertrauen in meinen Ehrgeiz und meine fachlichen Kenntnisse. Jürgen Klinsmann hat es auch so gemacht."

Jones ist endgültig oben angekommen. Sie ist das Kind einer deutschen Mutter und eines amerikanischen Soldaten, der die Familie früh sitzen gelassen hat. Sie ist in einem Frankfurter Problemviertel groß geworden. Sie weiß, was es heißt, sich im Leben durchzukämpfen. Alles, was sie heute hat, musste sie sich hart erarbeiten. "Ich habe früh gemerkt, dass ich anders bin als die anderen, nur wegen meines Aussehens", erzählt Jones. Die anderen Kinder krakeelten ihr "Negerlein" hinterher. Der Bruder war in der Regel zu bekifft, um ihr zu helfen. Sie hat an der Kasse bei einem Discounter gearbeitet, verdiente sich Geld als Putzfrau, als sie schon im Verein spielte. Das alles macht Jones besonders in einer Branche, in der sonst viele darum bemüht sind, möglichst glatt gebügelt aufzutreten. Jones ist Jones geblieben.

Und spätestens 2016 ist sie endgültig die deutsche Fußball-Kaiserin.

(RP)
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