Nachfolgerin von Silvia Neid Nicht jeder versteht, warum Jones Bundestrainerin wird

Frankfurt/Main · Steffi Jones hat keinerlei Erfahrung als Trainerin. Dennoch wird die 42-Jährige ab dem kommenden Jahr die deutschen Fußballerinnen betreuen. Das muss nicht jeder verstehen.

Steffi Jones: Weltmeisterin, WM-Botschafterin, Kurz-Bundestrainerin
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Das ist Steffi Jones

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Vor Kurzem wurde Steffi Jones von der Karnevalsgesellschaft Bornheim 1901 zur "Lachenden Frankforterin 2015" gekürt, ihre Berufung zur Frauenfußball-Bundestrainerin finden allerdings nicht alle lustig. "Ich dachte, es wäre 1. April", sagte Erfolgscoach Bernd Schröder vom sechsmaligen Meister Turbine Potsdam der FAZ: "Ich hätte erwartet, dass eine Nationaltrainerin zuvor Erfahrung sammeln muss als Trainerin."

Mit seiner Kritik am Deutschen Fußball-Bund (DFB) benannte Schröder gewohnt schonungslos den großen Schwachpunkt der Entscheidung. Da Jones nicht die geringste Erfahrung an der Seitenlinie vorweisen kann, geriet die 111-malige Nationalspielerin sofort nach der Bekanntgabe ihrer Beförderung in die Defensive. In allen Interviews musste die DFB-Direktorin erklären, warum ab September 2016 eine Novizin den zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameister trainieren wird.

Jones, die ihren zukünftigen Job offensichtlich nur der Absage von U20-Weltmeister-Trainerin Maren Meinert zu verdanken hat und damit auch noch mit dem Makel der zweiten Wahl leben muss, war auf kritische Fragen aber vorbereitet. Der Vergleich mit Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann und die weiteren Erklärungsversuche wirkten jedenfalls einstudiert.

"Ich hätte es nicht erwartet, dass es jetzt gleich so kommt. Ich hätte mir auch Vorlauf in den U-Mannschaften oder der Bundesliga gewünscht", sagte die Weltmeisterin von 2003: "Aber Jürgen Klinsmann hat es vor der Männer-WM auch so gemacht. Ich möchte meinen Ehrgeiz und meine fachliche Kompetenz in der Praxis umsetzen. Und mit meiner Disziplin werde ich das gut machen."

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Es gibt jedoch auch positive Stimmen. "Damit haben sicherlich nur die wenigsten gerechnet", sagt Inka Grings, die erfolgreichste Torschützin im deutschen Vereinsfußball, unserer Redaktion. "Ich schätze Steffi sehr. Sie wird schon ihren Weg gehen und dem deutschen Frauenfußball sicher guttun. Für sie wird es nun wichtig sein, möglichst viel praktische Erfahrungen zu sammeln."

Allerdings scheint sich selbst der DFB nicht ganz sicher zu sein, ob Jones es wirklich gut macht. Schließlich stattete der Verband die 42-Jährige lediglich mit einem Zweijahresvertrag aus. Nach außen wirkt das wie ein Experiment, das zur Not zügig abgebrochen werden kann, da man Meinert in der Hinterhand hat.

Auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach konnte die Zweifel an Jones nicht zerstreuen. "Das ist ein kleines Risiko, große Sorgen mache ich mir aber nicht", kommentierte der Verbandsboss die nicht vorhandene Erfahrung von Jones, die in den vergangenen Jahren in der DFB-Zentrale im Vergleich zu ihrer Zeit als Organisations-Chefin der WM 2011 nicht allzu sehr aufgefallen war.

Zudem könnte Jones, die in der jüngeren Vergangenheit durch das offene Bekenntnis zu ihrer Homosexualität für Schlagzeilen in der Boulevardpresse sorgte, schon bald vor einem weiteren Problem stehen. Falls die Nationalmannschaft bei der bevorstehenden WM-Endrunde in Kanada (6. Juni bis 5. Juli) früh scheitern und die Olympia-Qualifikation verpassen sollte, wäre die Amtszeit von Noch-Bundestrainerin Silvia Neid wohl schlagartig vorbei.

"Davon gehe ich nicht aus", sagte Jones dazu. Die frühere Abwehrchefin, die 2007 ihre Trainerlizenz erworben und danach unter anderem ein Praktikum bei Jürgen Klopp absolviert hat, weiß nur zu gut, dass ihre Pläne in diesem Fall durchkreuzt wären. Dann würden ihre anvisierten Fortbildungen ausfallen und sie müsste sofort ins kalte Wasser springen.

Immerhin bekam Jones, die noch ihren Stab zusammenstellen muss, von ihrer Vorgängerin das Vertrauen ausgesprochen. "Sie hatte schon als Spielerin viel Ahnung vom Fußball und war taktisch sehr gut geschult", äußerte Neid: "Man muss ihr Zeit geben, sie wird ihren Weg sicher machen. Sie muss natürlich Erfahrung sammeln, aber das wird sie."

(sid)
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