Kaffeeservice für den ersten Titel Frauenfußball — eine deutsche Geschichte

Utrecht · Beim ersten EM-Titelgewinn 1989 bekamen die deutschen Nationalspielerinnen ein Kaffeeservice von den DFB-Funktionären spendiert. Beim aktuellen Turnier in den Niederlanden stehen ihnen immerhin im Erfolgsfall 37.500 Euro zu.

Frauen-EM 2022 Kader: Diese Frauen spielen für Deutschland - Fotos
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Der DFB-Kader für die Frauen-EM 2022

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Um die Entwicklung im deutschen Frauenfußball zu beschreiben, wird gerne die alte Geschichte vom Kaffeeservice aufgewärmt. 1989, als die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zum ersten Mal den EM-Titel gewinnt, dürfen sie als Amateure keine finanzielle Prämie bekommen. Beim DFB will man aber dennoch seine Wertschätzung zum Ausdruck bringen - und schenkt den Spielerinnen stattdessen ein Kaffeeservice von Villeroy & Boch, stattliche 41 Teile mit blauen, gelben und roten Blümchen verziert.

Die Funktionäre waren mit sich sehr zufrieden, viele der damals beschenkten Damen, darunter zum Beispiel die spätere Bundestrainerin Silvia Neid, rümpfen noch heute die Nase, wenn sie auf diese Episode angesprochen werden. Es war irgendwie nett gemeint und irgendwie auch schrecklich peinlich. Und selbst Villeroy & Boch war das alles irgendwann unangenehm, weshalb das Unternehmen als Prämie zur WM 2011 versprach, jeder Spielerin erneut ein Service zu spendieren. Diesmal nur ganz ohne Blümchen-Motive und unabhängig vom Abschneiden. Deutschland schied bereits im Viertelfinale aus - und es ist nicht überliefert, wie viele das Angebot in Anspruch genommen haben.

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Italiens Torfrau patzt gegen Deutschland

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Bei dieser Endrunde der EM in den Niederlanden hat der DFB eine finanziell deutlich attraktivere Prämienregelung mit der Mannschaft ausgehandelt. "Im Falle des Titelgewinns bekommen unsere Frauen gemäß der stark erfolgsabhängigen Vereinbarung 37.500 Euro pro Spielerin", verkündete DFB-Präsident Reinhard Grindel. Das ist eine Rekordsumme im Frauen-Fußball. Beim letzten EM-Sieg vor vier Jahren in Schweden hatten die deutschen Spielerinnen pro Kopf immerhin schon 22.500 Euro kassiert. Im Vergleich zu den WM-Summen ist die EM-Prämie allerdings niedrig. Hätte das DFB-Team 2015 in Kanada (Platz vier) den dritten Stern geholt, hätte es 65.000 Euro pro Spielerin gegeben. Von der Europäischen Fußball-Union Uefa erhält der DFB im Falle des erneuten EM-Triumphes 1,2 Millionen Euro.

Natürlich sind die Prämien auch im Vergleich zur Herrenabteilung im Verband nach wie vor bescheiden. Der Gewinn der EM in Frankreich im vergangenen Jahr hätte jeden Spieler um 300.000 Euro reicher gemacht. Aber machen die ewigen Vergleiche zwischen Männern und Frauen wirklich Sinn? Nein, machen sie nicht, und viele Fußballerinnen würden sich wünschen, dass genau das aufhört. Die Endrunde in den Niederlanden wird nicht in den großen Arenen des Landes ausgetragen, sondern in den abgespeckteren Ausführungen - das kleinste Stadion ist De Adelaarshorst in Deventer mit 8011 Zuschauern, das größte De Grolsch Veste in Enschede mit einer Kapazität für 30.205 Besucher. Ins Utrechter Stadion Galgenwaard, in dem heute (20.45 Uhr/live im ZDF) die deutsche Elf zum Abschluss der Gruppenspiele auf Russland trifft, passen 24.426 Fans.

Keine offiziellen Zuschauerzahlen

Das erste Vorrundenspiel zwischen Russland und Italien im Sparta-Stadion Het Kasteel von Rotterdam wollten nicht einmal 1000 Zuschauer sehen — fast 10.000 Plätze blieben leer. Bei der Uefa redet man nicht so gern darüber. Offizielle Zahlen über das Zuschauerinteresse bei den einzelnen Spielen gibt es nicht. Der Verband tut sich schwer mit dem Produkt. Als die ersten Pläne über das Turnier von der Uefa präsentiert wurden, hieß es noch, nach dem Spiel würde der "Man of the Match" geehrt. Man hat es zu "Player of the Match" korrigiert.

Es gibt aber keine einzige Spielerin bei der EM, die sich bislang über fehlende Unterstützung des Publikums beschwert hat. Man freut sich über die vorhandene Unterstützung, die sich im Laufe des Turniers erfahrungsgemäß auch noch steigern wird. Man hat nicht die Erwartung, dass ein ganzes Land sich in Oranje schmückt, weil es bei einer EM der Männer schließlich so wäre. Aber es ist eben eine Frauen-EM, ohne den Unterbau von professionellen Ligen und ohne globale Vermarktung. Sie hat verdient, dass man sie daran misst, was auf dem Platz passiert, ohne dabei ständig im Hinterkopf zu haben, dass Manuel Neuer den Ball ganz sicher noch aus dem Eck gefischt hätte, Mats Hummels das besser verteidigt hätte und Mario Gomez den bestimmt sicher verwandelt hätte. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Eigentlich ziemlich egal.

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Das ist Steffi Jones

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Foto: dpa, shp hae nic

Unlängst hat Julian Nagelsmann, Trainer von Bundesligist TSG Hoffenheim, ein Plädoyer auf den Frauenfußball gehalten: "Ich schaue das gern, weil es ein viel ehrlicherer Sport ist als Männerfußball. Frauen heulen viel weniger rum, liegen nie am Boden. Die Frauen stehen auf und spielen weiter, die Netto-Spielzeit ist gefühlt bei 85 Minuten. Da gibt's keine Verzögerung, kein Gejammer, da ist nie jemand bei der Schiedsrichterin. Das gefällt mir."

Man muss Frauenfußball nicht lieben. Respekt hat das Spiel aber allemal verdient.

(gic)
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