Analyse zur Frauen-EM Betriebsunfall mit Ansage

Sint-Michielsgestel · Das frühe Aus der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft bei der EM in den Niederlanden ist das Ergebnis eines viel zu ambitionierten Umbruchs. Es fehlt an Erfahrung - vielen Spielerinnen und vor allem der Trainerin.

Frauen-EM 2017: "Das Experiment mit Jones ist gescheitert" - Pressestimmen zum deutschen EM-Aus
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Pressestimmen zum EM-Aus der DFB-Frauen

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Foto: dpa, sab

Um den Tiefpunkt des deutschen Fußballs bei den Männern zu erklären, wird immer gerne die Episode von der Europameisterschaft 2000 erzählt. Die DFB-Auswahl hatte sich unter Leitung von Bundestrainer Erich Ribbeck als abgewirtschafteter Haufen präsentiert, der sang und klanglos bereits nach der Vorrunde aus dem Turnier ausschied - das letzte Gruppenspiel in Rotterdam gegen Portugal (0:3) stand fortan für die Hilflosigkeit des deutschen Spiels. 17 Jahre danach hat sich erneut eine deutsche Mannschaft in der niederländnischen Hafenstadt nach Kräften blamiert. Doch das Aus der Delegation im Viertelfinale der Frauenfußball-EM gegen Dänemark (1:2) taugt nicht dazu, das System, anders als einst bei den Männern, grundsätzlich in Frage zu stellen.

Der Frauenfußball hierzulande ist gerade dabei, sich neu zu erfinden. Der DFB war der durchaus nachvollziehbaren Meinung, nach der erfolgreichen Dienstzeit von Silvia Neid neue Impulse setzen zu müssen. Bereits vor zwei Jahren wurde der Umbruch angekündigt, für Neid, so wurde frühzeitig kommuniziert, sollte die einstige Weltklassespielerin Steffi Jones die Regie übernehmen. Jones hatte sich als Sportdirektorin für den Posten in Stellung gebracht und innerhalb des Verbands die Entscheider überzeugen können. Das Risiko mit ihrer Nominierung schien überschaubar. Ein paar Funktionäre spöttelten rund um ihre Inthronisierung, man brauche keine Erfahrung, um dieses Team zu betreuen. Es sei qualitativ so gut besetzt, dass das schon alles gut werden würde.

Steffi Jones, die als Spielerin 111 Mal das Trikot der Nationalmannschaft getragen hat, ist mit vielen Ideen angetreten. Sie wollte alles moderner gestalten, die Spielerinnen in Entscheidungsprozesse intensiver einbinden und ein ansehnlicheres Spielsystem einführen. Irgendwie alles anders machen als Neid, nur mindestens so ertragreich sein. Deutsche Mannschaften waren in der Vergangenheit immer sehr erfolgreich, aber sie haben nicht immer durch eine ausgefeilte Spielanlage imponiert. Die Titelsammlung hat einiges überdeckt: Alleine bei Europameisterschaften war Deutschland zuletzt sechs Mal hintereinander erfolgreich.

Deutschland ist allerdings nicht an der eigenen Arroganz gescheitert, nicht an der Trägheit, die sich vielleicht einschleicht, wenn man einen Wettbewerb so sehr dominiert hat. Deutschland mangelte es an Erfahrung, um auf das Niveau zu kommen, dass die Trainerin sich vorgestellt hat. Jones ist an ihren Ansprüchen gescheitert. Bei den Olympischen Spielen war sie als Assistentin von Neid im Einsatz, Deutschland gewann die Goldmedaille. Danach läutete Jones den Umbruch ein. Personell. Taktisch. Konzeptionell. Alles auf einmal.

"Wir alle stehen hinter Steffi"

Beim Team kam und kommt sie gut an. Selbst nach dem Ausscheiden überschlagen sich die Spielerinnen in öffentlichen Erklärungen, den eingeschlagenen Weg bloß weiterzuverfolgen. Babett Peter gibt zu Protokoll: "Wir alle stehen hinter Steffi, und sie steht hinter uns!" Und auch Spielführerin Dzsenifer Marozsan will nichts von Kritik an der Bundestrainerin wissen. "Sie hat uns gesagt, dass sie trotzdem stolz ist auf uns, dass mehr in uns steckt", sagt die Mittelfeldspielerin von Champions-League-Sieger Olympique Lyon. "Die Mannschaft steht hinter ihr."

Das ist eines der größten Probleme. In der jungen Mannschaft geht es vor allem um Harmonie. Ein vernünftiges Miteinander ist selbstredend in einem modernen Betrieb wichtig. Doch in dem sensiblen Gebilde eines Teams muss es Reibungspunkte geben. Es gab aber niemanden, der versucht hat, die Zügel in die Hand zu nehmen, der einmal dazwischen gegrätscht wäre, als eine Partie zu entgleiten drohte.

Beim DFB zögert man noch mit einem klaren Bekenntnis zu Jones. Präsident Reinhard Grindel hat angekündigt, das Turnier intensiv aufbereiten zu wollen - ein klares Bekenntnis zu Jones hat er bislang vermieden. Er ist derzeit im Urlaub. In den kommenden Wochen soll es zu einem Gipfeltreffen in der Verbandszentrale in Frankfurt am Main kommen. Dort soll Jones erklären, wie sie die deutsche Mannschaft zurück in die Erfolgsspur führen will. Sie selbst ist nach wie vor davon überzeugt, die Richtige für diese Aufgabe zu sein. "Es war eine bittere Lehrstunde", sagt die 44-Jährige. "Ich nehme mich nicht aus der Verantwortung. Ich werde in mich gehen und tiefgründig analysieren, woran es gelegen hat und was wir besser machen müssen."

(gic)
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