Fortuna Düsseldorf Jäger will bis Weihnachten neuen Fortuna-Trainer finden

Düsseldorf · Paul Jäger sorgte schnell für Entwarnung, als der Kopf den Farbton dunkelrot annahm. "Ich habe eine Blutdrucktablette in der Tasche", betonte Fortunas kommissarischer Vorstandsboss lächelnd. Nach wenigen Minuten beim "1895-Talk" der Rheinischen Post und Schaffrath war Jäger bereits auf Betriebstemperatur.

 Paul Jäger beim RP-Talk am Montagabend.

Paul Jäger beim RP-Talk am Montagabend.

Foto: Falk Janning

Der Grund: Die Diskussionen um Kerem Demirbay, der wegen eines sexistischen Kommentars gegenüber Schiedrichterin Bibiana Steinhaus derzeit eine Sperre absitzen muss. Dass der Mittelfeldspieler sich entschuldigte und ein Zeichen setzte, indem er ein Mädchenspiel pfiff, geriet in den Hintergrund, weil er dabei im Designermantel über den Platz lief. "Hat die Welt nichts Besseres zu tun, als sich über den Mantel von Demirbay auszukotzen. Wir haben die Anschläge in Paris, wir haben andere Probleme", schimpfte der 56-Jährige und erntete dafür Applaus. Jäger räumte aber auch ein: "Ich habe Kerem vor dem Spiel abgeholt, gesehen wie er aussieht. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Das Fingerspitzengefühl hat mir etwas gefehlt, das war mein Fehler."

Um außergewöhnliche Antworten zu bekommen, bedarf es stets außergewöhnlicher Fragen und mitunter auch einer außergewöhnlichen Umgebung. So entführte das Redaktions-Trio der Rheinischen Post, Gianni Costa, Bernd Jolitz und Daniel Fiene, seine Gäste weg vom Fußball-Alltag hin zu Speis und Trank. Der 1895-Talk fand sich in heimeliger Küchenatmosphäre wieder. Zusammen mit Daniel Dal-Ben, der seine Kochkunst mit einem Michelin-Stern untermauert hat, bereiteten Jäger und Fortuna-Sechser Marcel Sobottka Fischstäbchen mit Kartoffelsalat in der Luxus-Variante zu. 50 Gäste wohnten dem Schauspiel bei und lauschten den Antworten der zwei Fortunen — und da war viel Hörenswertes dabei.

Nur beim mit der meisten Spannung erwarteten Thema, wer denn neuer Trainer des Zweitligisten wird, hielt sich Jäger etwas bedeckt. Namen wollte er nicht kommentieren. Die in Boulevardmedien kolportierten Absagen von Jos Luhukay und Holger Stanislawski verwies er aber ins Reich der Fabeln. "Ich habe keine Absage erhalten. Es gibt schwebende Prozesse. Damit bestätige ich aber nicht, dass die beiden Kandidaten, die abgesagt haben sollen, überhaupt von uns angefragt worden sind", sagte Jäger. Als Anforderungsprofil nannte der Finanzvorstand "Druckresistenz", "Autorität" und "Erfolge". Welche Namen denn für den Posten in Frage kommen, wollte Jäger aber partout nicht verraten. "Das ist süß, wie du das hier machst, aber ich sage dazu nichts", entgegnete Jäger dem hartnäckigen Fragesteller Costa. Zum Zeitfenster wurde er aber zumindest etwas konkreter: "Ich hoffe, wir bringen es noch bis Weihnachten hin — ich will uns damit aber auch kein Ultimatum stellen."

Die Möglichkeit, Interimstrainer Peter Herrmann zur Dauerlösung — zumindest bis Saisonende — zu machen, gebe es nicht. Marcel Sobottka, der mit einem Außenmeniskuseinriss bis Januar ausfällt, bedauert das: "Wir wären froh, wenn er bleibt. Aber wenn er nein sagt, heißt es auch nein. Peter hat einen sehr starken Charakter. Der weiß, was er will. Da bringt es auch nichts, wenn wir zu ihm hinrennen und ihn zu überreden versuchen."

Die aktuelle Lage, Platz 15 in der Liga, zuletzt das 0:3 auf eigenem Platz gegen Union Berlin, versuchten die Fortuna-Protagonisten nicht schönzureden. "Na klar sind wir im Abstiegskampf. Unser Ziel ist der Klassenerhalt", sagte Jäger und Sobottka formulierte seine Ziele fürs kommende Jahr: "Ich will überhaupt wieder spielen und dann mit dem Team besser spielen als bisher." Zu seinem Vertragskonstrukt äußerte sich der 21-Jährige etwas schwammig. Sobottka hat einen Vertrag bis 2018 bei Fortuna unterschrieben, sein Ausbildungsverein, der FC Schalke 04, hat allerdings eine Rückkaufklausel. "Das heißt, glaube ich, dass Schalke mich nach einem Jahr zurückholen kann, wenn sie das möchten. Aber da müssen Sie Herrn Azzouzi fragen, ob Fortuna da Einspruch erheben kann", sagte der Defensivspezialist, der sich auch vorstellen kann, als Innen- oder Rechtsverteidiger eingesetzt zu werden.

Sportdirektor Rachid Azzouzi war ebenfalls Thema. Jäger betonte die gute Arbeit des im Sommer zu Fortuna gewechselten Fachmanns und erklärte, dass er auch für höhere Aufgaben eine Option sein könnte. "Rachid sagt, er würde schon im Sport gerne das Sagen haben. Wir müssen gucken, ob wir die Krise gemeinsam meistern. Und dann ist es eine Möglichkeit, über Rachid im Vorstand nachdenken. Ich weiß, der Aufsichtsrat wird das im Blick haben", sagte Jäger. Dass der Vorstand derzeit nur aus ihm und Sven Mühlenbeck bestehe und nach dem Ausscheiden von Dirk Kall noch nicht wieder aufgefüllt wurde, verteidigte Jäger: "Die Satzung sieht drei bis fünf Personen im Vorstand vor. Fünf haben deutschlandweit die wenigsten Vereine. Für mich ist das ohnehin zu viel."

Beide Fortunen stellten sich im Wechsel den Fragen der Redakteure und den über Internet live zugetragenen Fragen der Fans, während sich der andere in der Küche nützlich machte. Dal-Ben, der im Tafelspitz 1876 am Zoopark kocht, zeigte sich begeistert von Fortunas 21-jährigem Talent: "Sobottka hat sich richtig ins Zeug gelegt, als ich gesagt habe, dass ich neuer Trainer werde", scherzte der Koch und Sobottka zeigte sich dankbar für die Lehrstunde: "Wenn ich zu Hause bin, versuche ich für meine Freundin zu kochen. Es ist zwar meist Tiefkühlkost, aber der Wille zählt."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort