Fortuna Düsseldorf Augenzeugen erheben Vorwürfe gegen Duisburger Polizei

Duisburg/Düsseldorf · Als 2000 Fans aus Düsseldorf gleichzeitig den Zutritt zum Zweitliga-Spiel suchen, werden zehn Menschen im Gedränge verletzt. Augenzeugen berichten von einem überzogenen Einsatz der Polizei und zogen Vergleiche zur Loveparade-Katastrophe 2010.

Das Bild zeigt den Eingangsbereich für die Gästefans. Die schmalen Tore am Einlass waren für die Fortuna-Fans geöffnet. Augenzeugen berichten, dass gegen 18.50 Uhr das grüne Nottor aufgebrochen oder geöffnet wurde.

Das Bild zeigt den Eingangsbereich für die Gästefans. Die schmalen Tore am Einlass waren für die Fortuna-Fans geöffnet. Augenzeugen berichten, dass gegen 18.50 Uhr das grüne Nottor aufgebrochen oder geöffnet wurde.

Foto: Christoph Reichwein

Auf den ersten Blick scheint das Bild klar zu sein. Die Fußballer Fortuna Düsseldorfs haben sich bei der 1:2-Niederlage im Kellerduell der 2. Bundesliga beim MSV Duisburg sportlich blamiert, und auf den Rängen sowie vor dem Stadion benehmen sich die Fans aus der Landeshauptstadt deswegen nach Kräften daneben. So zumindest wollte es die Duisburger Polizei in ihren ersten Stellungnahmen am Freitagabend vermitteln.

Doch je mehr Augenzeugenberichte an die Öffentlichkeit kommen, desto mehr wachsen die Zweifel an dieser Darstellung. Nicht daran, dass Fortuna sich für das pyrotechnische Feuerwerk im Gästeblock wird verantworten müssen: Schiedsrichter Benjamin Brand sah sich zu Recht gezwungen, die Begegnung zu unterbrechen, und die Düsseldorfer erwartet dafür eine saftige Geldstrafe. Es mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass es vor dem Eingang zum Gästeblock beinahe zu einer Katastrophe gekommen wäre, als die Partie bereits einige Minuten lief. Und die Verantwortung dafür ist beileibe nicht so schnell geklärt, wie die Polizei es öffentlich verlauten ließ.

"Etwa 2000 Fortuna-Anhänger bauten gezielt massiven Druck auf die Kontrollstelle am Gästeeingang auf, obwohl die Polizei mit zahlreichen Lautsprecherdurchsagen davor gewarnt hatte, dass es bei einer so großen Gruppe zu erheblichen Verzögerungen kommen wird. Immer wieder versuchten Fangruppen, durchzubrechen", hieß es in der Mitteilung der Duisburger Polizei.

Polizei-Einsatz nicht angemessen

Bei Fortuna ist die Sicht der Dinge eine andere. "Es gibt Berichte von Augenzeugen, die die Vermutung nahelegen, dass der Polizei-Einsatz möglicherweise nicht angemessen war und auch anders ablief als geplant und ursprünglich mit den Vereinen kommuniziert", sagt Fortunas Vorstandsvorsitzender Robert Schäfer. "Wir möchten die Lage gründlich analysieren, sammeln Fakten für ein Gesamtbild, denn es gibt Berichte, die die Situation in einem anderen Licht darstellen, als es im Polizeibericht der Fall ist, der nicht unsere einzige Quelle sein darf."

Einer dieser Berichte stammt von Boris Bartels, Geschäftsführer der Düsseldorfer Agentur Dreimarketing und Augenzeuge des Geschehens. "Ich war eigens sehr früh angereist, weil ich um die äußerst schwierige Einlass-Situation in Duisburg wusste", schildert Bartels. "Von oben im Stadion konnte ich sehr gut beobachten, wie immer mehr Menschen durch den trichterförmigen Gang auf das schmale Eingangstor drängten. Als eine Polizeikette den Weg zumachte, erhöhte sich der Druck immer weiter."

Polizei sprüht wahllos Reizgas in Zuschauer

Ein Freund, der erst später zum Stadion fahren konnte, habe ihm dann berichtet, dass er etliche Hilferufe von Menschen gehört habe, die von den nachdrängenden Massen gegen Zäune und Betonwände gedrückt wurden. Polizei und Ordnungskräfte hätten jedoch keinen Versuch unternommen, den Druck von der Situation zu nehmen — stattdessen sei mit Reizgas wahllos in die vordersten Zuschauerreihen gesprüht worden.

In Facebook- und Foreneinträgen fällt immer wieder der Vergleich mit der Katastrophe bei der Loveparade 2010 in Duisburg, als in einem Menschengedränge 21 Menschen ums Leben kamen. Erst in der vergangenen Woche wurde zudem das Urteil zur Tragödie in Sheffield 1989 gesprochen, als 96 Liverpool-Fans in einem überfüllten Block zu Tode gedrückt wurden. Die Polizei wurde jetzt wegen grober Nachlässigkeit verurteilt.

Mindestens ein Mann kam am Freitag vor dem Duisburger Stadion zu Fall und drohte, zertrampelt zu werden. Augenzeugenberichten zufolge fassten sich aber einige Umstehende ein Herz und zogen ihn wieder hoch. Dass es unter diesen Umständen "nur" zehn Verletzte (ein Polizist, ein Ordner, acht Fortuna-Anhänger) gab, grenzt an ein Wunder. Die Polizei gibt die Schuld an der Zuspitzung den Düsseldorfer Anhängern, die angeblich bewusst eine S-Bahn zum Stoppen gezwungen hätten, damit möglichst viele Besucher gleichzeitig ankommen und Schwierigkeiten beim Einlass provozieren sollten. Auf diese Weise hätten sie leichter Bengalos und Feuerwerkskörper einschmuggeln wollen.

Viele Zuschauer widersprechen diesem Vorwurf vehement, verweisen darauf, dass die Polizei mit ihrem missglückten Versuch, die Düsseldorfer in 100er-Gruppen einzulassen, gescheitert und mit der gleichzeitigen Anreise von rund 2000 Fans überfordert gewesen sei. "Die Tore öffnen nach außen, also in die Menge", schreibt Zuschauer Gero Wollgarten in seinem Blog. "Hinter den Toren stumme Ordner und Polizisten, es findet keinerlei Kommunikation statt. Der Druck steigt auch hier immer weiter bis ein Notausgangstor, links von den Einlasstoren, aufgebrochen oder von innen geöffnet wird und die Menschen nun abfließen können." Zu diesem Zeitpunkt war es 18.50 Uhr, der Anpfiff war 20 Minuten her. "Hinter diesem Tor werden die flüchtenden Menschen erneut von Polizisten angegriffen und teilweise wahllos in Gebüsche geschubst auch wenn sie nur desorientiert herumstehen", heißt es im Blog.

Eine offene Frage lautet nun, warum die Polizei nicht in Absprache mit einem extra für dieses Risikospiel abgestellten DFB-Offiziellen und dem Schiedsrichter den Anpfiff der Partie verschob, um die Situation am Gäste-Eingang etwas zu entspannen. Eine übliche Maßnahme bei vergleichbaren Spielen. Weder DFB noch Polizei waren am Sonntag für eine Stellungnahme zu erreichen.

Allen Schilderungen der gemäßigten Fanszene ist gemein, dass das "Überrennen von Ordnern", von der Polizei als bewusst gesteuerte Aktion bezeichnet, stattdessen aus reiner Panik davor, erdrückt zu werden, erfolgte. Arnold Plickert, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, stellt sich vor die Einsatzkräfte: "Generell kann ich das Geseiere nicht mehr hören. Wenn Fangruppen Ausschreitungen suchen, finden sie immer einen Weg, der Polizei die Schuld in die Schuhe zu schieben. Auch die Vereine machen es sich leicht, weil sie Angst vor ihren Fans haben."

(RP)
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