Fortuna Düsseldorf Sehnsucht nach Legenden

Düsseldorf · Bei Fortuna Düsseldorf endet nach dieser Saison eine Ära - Andreas, genannt "Lumpi", Lambertz verlässt den Zweitligisten nach 13 Jahren. Im Fußballgeschäft gibt es nur noch wenige solcher Identifikationsfiguren.

Andreas Lambertz: "Lumpi", der ewige Fortune
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Das ist Andreas Lambertz

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Foto: Christof Wolff/Wolff, Christof

Es ist kein Abschied wie jeder andere. Das ist spätestens in dem Moment klar, als Helmut Schulte eine Spur zu schnell den Raum verlässt, in dem Zweitligist Fortuna Düsseldorf soeben die Trennung von seinem Urgestein Andreas Lambertz bekanntgegeben hat. Der Sportvorstand knufft den früheren Kapitän kumpelhaft in den Magen, die beiden reden kurz leise miteinander — und dann schimmert es verdächtig feucht in Schultes Augen. In der Szene wird dem Manager ansonsten kein ausgeprägter Hang zur Gefühlsduselei nachgesagt.

"Lumpis" Abschied von Fortuna berührt. Den 30-Jährigen selbst sowieso, mehr noch die vielen Fans des Klubs, die ihn fest in ihr Herz geschlossen haben. Und er berührt selbst Schulte, dessen Job es doch ist, sich immer wieder von Spielern zu trennen. "Aber Spieler wie Lumpi", sagt der Sauerländer, "auf die man sich sportlich wie menschlich absolut verlassen kann, werden immer weniger in diesem Geschäft." Erst recht die echten Identifikationsfiguren — die Spieler, die das Gesicht eines Vereins sind. Wie Lambertz in Düsseldorf.

Lambertz kehrt irgendwann zur Fortuna zurück

Deshalb ist es Fortuna auch so wichtig, Lambertz nicht ganz zu verlieren. "Das haben wir sogar schon schriftlich fixiert", betont der Vorstandsvorsitzende Dirk Kall. "Wenn Lumpi seine aktive Karriere beendet, wann immer das auch sein wird, kehrt er mit einer festen Anstellung in unserem Nachwuchsleistungszentrum zu Fortuna zurück." Eine neue Herausforderung suche er, erklärt der Mittelfeldspieler, daher habe er sich entschieden, das — stark leistungsbezogene — Düsseldorfer Angebot zur Vertragsverlängerung nicht anzunehmen. "Ich will mich noch einmal zeigen, richtig Gas geben", sagt Lambertz. "Und bei Fortuna kam ich ja zuletzt nicht mehr zum Zuge."

Ein paar Jährchen wolle er schon noch spielen. Wo, das stehe noch nicht fest, versichert er, auch wenn immer wieder der designierte Zweitliga-Aufsteiger Arminia Bielefeld genannt wird. Der wird von Norbert Meier trainiert, einem alten Förderer und großen Fan "Lumpis".

Oder geht er gar zum MSV Duisburg, der ebenfalls auf der Schwelle zum Wiederaufstieg in Liga zwei steht? "Ich bin für alles offen, auch für das Ausland", sagt der Mittelfeldspieler, der seit seinem 17. Lebensjahr für Fortuna spielt. Wirklich für alles? "Okay, der FC steht ganz oben auf meiner Liste", antwortet Lambertz grinsend. Diese Düsseldorfer Ikone in Köln? Völlig undenkbar, auch für ihn.

Lieberknecht ist "Lumpi"-Fan

Als der Braunschweiger Trainer Torsten Lieberknecht einmal gefragt wurde, welchen Spieler er gerne holen würde, wenn er einen Transfer frei hätte, gab er sich ganz als Fußball-Romantiker. "Soll ich jetzt Messi sagen? Das wäre doch langweilig. Andreas Lambertz von Fortuna Düsseldorf, den finde ich super. Er hat eine tolle Einstellung, der marschiert. Ohne eine konkrete Vorstellung zu haben, wo ich ihn einbauen würde. Ich kenne ihn nicht näher, aber ich bin sicher, der passt charakterlich perfekt", sagt er dem Magazin "11 Freunde". "So einen dürfen die in Düsseldorf auf keinen Fall abgeben, der verkörpert den Verein, der ist allein menschlich kaum zu ersetzen."

Das Geschäft ist schnelllebiger geworden. Namen kommen und gehen. Die Identität der Vereine ist oft nur noch am Wappen festzumachen, weil das Personal so beliebig austauschbar erscheint. Spieler, die für einen Verein stehen, sind rar gesät. Ausgerechnet in der Weltmannschaft des FC Bayern München gibt es gleich eine Reihe: Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller. Man muss sich derartige Typen aber auch leisten können. Denn oft stehen Leistungsträger nach den ersten Schritten im Profibereich vor dem finanziellen Reiz, woanders für ihre Qualifikationen mehr Geld zu bekommen. Und irgendwo anders noch mehr. Vereinstreue ist ein sehr großer Begriff und nur noch schwer mit dem modernen Spiel in Einklang zu bringen. Ein Berufsfußballer spielt dort, wo er sich wohlfühlt und seiner Meinung nach angemessen entlohnt wird. In der Regel sorgt das Gehalt dafür, dass er schnell überall heimisch wird.

Ein weicherer Wohlfühl-Faktor kann die Rückennummer sein. Vor allem, wenn es die 17 ist. Die trugen kurioserweise etliche Profis, die in ihren Vereinen für besonders engagierte Arbeit, für enge Bindung zu den Fans standen: Dede beim BVB, Mark van Bommel bei den Bayern, Torsten Mattuschka bei Union Berlin, Fabian Boll auf St. Pauli, "Lumpi" bei Fortuna. Kaum vorstellbar, dass nach 13 Lambertz-Jahren in der Landeshauptstadt jemals ein anderer Spieler diese Rückennummer tragen soll.

Der Zweitligist hatte Lambertz' Entscheidung gerade erst per Facebook öffentlich gemacht, da forderte ein Fan: "Nummer 17 nicht mehr vergeben!" Nach wenigen Minuten hatte er damit mehr als hundert "Gefällt-mir"-Klicks gesammelt — und rannte bei Fortuna offene Türen ein. "Das ist eine Möglichkeit, die ich mir persönlich sehr gut vorstellen kann", sagte Kall. Nun mag es Menschen, die in der Fußballszene nicht so tief verwurzelt sind, merkwürdig erscheinen, einem Sportler auf diese Weise ein Denkmal zu setzen. Dabei ist es in anderen Sportarten durchaus üblich — im Eishockey etwa, wo die Düsseldorfer EG die Nummern 10 (Chris Valentine), 12 (Peter John Lee) und 13 (Walter Köberle) nicht mehr vergibt.

Bei Fortuna wäre "Lumpi" der erste, dem diese Ehre zuteil wird. Ganz einfach, weil es zu Zeiten anderer Ikonen wie Paul Janes oder Toni Turek noch keine personenbezogenen Rückennummern gab. Dafür ist nach dem früheren Rekordnationalspieler Janes das Stadion im Stadtteil Flingern benannt, nach Turek das Haus, in dem sich Fortunas Geschäftsstelle befindet. Ganz in der Nähe wird Lambertz später arbeiten, als Trainer im Nachwuchsleistungszentrum. Vielleicht entdeckt er dort die nächste Identifikationsfigur.

(RP)
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