Blamage in Europa Breitenreiter kritisiert Erwartungshaltung, die er selbst geschürt hat

Gelsenkirchen · Mit dem peinlichen 0:3 gegen Schachtjor Donezk ist Schalke 04 in der Europa League krachend gescheitert. Die Stimmung kippt: Das Publikum reagiert mit Hohn, Trainer André Breitenreiter mit harscher Kritik.

 André Breitenreiter hatte vor dem Spiel den Titel als Ziel ausgegeben.

André Breitenreiter hatte vor dem Spiel den Titel als Ziel ausgegeben.

Foto: dpa, gfh

Die meisten Zuschauer waren aus der Arena längst geflüchtet, als die Schalker Europacup-Verlierer die Quittung bekamen: Mehr noch als die Pfiffe schmerzten der Beifall für die Fehlpässe und der Applaus für den Gegner. "Dass es am Ende höhnisch wurde, macht mich nachdenklich", sagte Trainer André Breitenreiter nach dem 0:3 (0:1)-Schock gegen Schachtjor Donezk. Beim krachenden Europa-League-Aus der Königsblauen ging deutlich mehr kaputt als der vage Traum vom Endspiel in Basel.

Gerade erst hatte Breitenreiter mit seinem jungen Team die Zuneigung der Fans nach der Katastrophensaison unter seinem Vorgänger Roberto Di Matteo zurückgewonnen, jetzt droht sie erneut verloren zu gehen. Als sich die Spieler willenlos in ihr Schicksal ergaben, erinnerte die Atmosphäre aus Hohn und Spott an die Schlussphase der vergangenen Spielzeit.

"Das hat was mit der Erwartungshaltung zu tun", meinte Breitenreiter: "Hier träumt man ja immer schon von deutschen Meisterschaften und Champions League. Das ist meiner Meinung nach überhaupt nicht realistisch." Dass der Schalker Coach am Tag zuvor diese Erwartungen selbst geschürt hatte, erwähnte er nicht. Er wolle die Europa League gewinnen, hatte Breitenreiter erklärt. Und dass der scheidende Manager Horst Heldt nach langem Zögern jetzt einen Champions-League-Platz als Ziel ausgegeben habe, finde er richtig, auch er wolle dahin.

Statt jedoch die Worte ihres Trainers mit Leben zu füllen, bot die Schalker Mannschaft ihre schlechteste Saisonleistung, ließ alles vermissen, was die Fans von ihr erwarteten: Kampf, Siegeswille, Konzept, Ideen. Dennoch trieb der königsblaue Anhang sein Team lautstark an - bis mehr und mehr der Glaube an ein Aufbäumen schwand. Bei vielen setzte sich wohl auch die Erkenntnis durch, dass sich Schalke unter Breitenreiter ganz anders entwickelt als versprochen.

Vom schnellen Umschaltspiel und attraktiven Offensivfußball, das der neue Coach im Sommer propagiert hatte, sind nur noch kurze Phasen übrig geblieben, gegen Donezk gerade einmal die ersten zehn Minuten. Rück- und Querpässe dominieren wie unter Di Matteo das Spiel. Automatismen fehlen auch nach fast acht Monaten Breitenreiter noch immer - bestens zu beobachten, wenn sich Außenverteidiger Junior Caicara und Jungstar Leroy Sané auf der rechten Angriffsseite fragend anschauen, wer wohin laufen und wer wohin passen soll.

Bei der fünften Heimpleite in der K.o.-Runde im Europacup in Folge kam hinzu, dass die beiden wichtigsten Leistungsträger der Saison "ausfielen": Mittelfeldmotor Leon Goretzka kurz vor der Halbzeit mit einer Schultereckgelenksprengung und Innenverteidiger Joel Matip mit spielentscheidenden Patzern vor den ersten beiden Gegentoren.

Breitenreiter schob dem zum FC Liverpool wechselnden Eigengewächs sogar öffentlich die Schuld für die Pleite in die Schuhe. Die beiden individuellen Fehler des Deutsch-Kameruners hätten "uns das Genick gebrochen". Torhüter Ralf Fährmann indes verteidigte den 24-Jährigen. Matip sei in den letzten Wochen und Monaten einer der Besten gewesen, "der Fels in der Brandung". Es sei "nicht fair", wie er behandelt wurde. Damit meinte der Keeper zwar die Fans, hätte aber auch seinen Trainer meinen können.

(sid)
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