Türkischer Fußball vor dem Referendum Viel Ja, kein Nein

Istanbul · Besiktas Istanbul gilt als regierungskritisch, in Wahrheit befindet sich der Klub zwischen politischen Fronten und gibt sich bewusst neutral. Vor dem Referendum gilt deshalb alle Konzentration dem Viertelfinale in der Europa League gegen Lyon.

 In der Europa League fühlt sich Besiktas bestens aufgehoben, mit politischen Bekenntnissen hält sich der Klub zurück.

In der Europa League fühlt sich Besiktas bestens aufgehoben, mit politischen Bekenntnissen hält sich der Klub zurück.

Foto: afp, OZN

Für das Verfassungsreferendum ruht in der Türkei am Wochenende sogar der Fußball. Vorher will sich Besiktas Istanbul im Viertelfinale der Europa League an diesem Donnerstag eine gute Ausgangsposition gegen Olympique Lyon erspielen. Politik und Fußball liegen für die türkischen Klubs und Spieler oft eng beieinander, das gilt nicht nur für Besiktas.

Im Ausland eilt dem aktuellen und wohl auch künftigen Meister der Ruf voraus, ein regierungskritischer Arbeiterverein zu sein. In Wahrheit befindet sich der Klub in einem politischen Spannungsfeld. Die bekannte Fangruppierung Carsi ist anti-autoritär und spielte bei den Gezi-Protesten in Istanbul im Sommer 2013 eine wichtige Rolle.

Gleichzeitig steht der Verein als momentanes Aushängeschild des türkischen Fußballs fast schon automatisch der Regierung nahe. Bei der Stadioneröffnung im vergangenen Jahr etwa wurden Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und mehrere AKP-Minister hofiert.

Klubpräsident Fikret Orman wählt einen Mittelweg: Er vermeidet ein Bekenntnis zu den Fans von Carsi, lässt sich aber auch sonst nicht vereinnahmen und setzt auf Neutralität: "Besiktas ist ein Sportklub, kein politischer Verein. Ich finde es nicht richtig, dass Besiktas mit politischen Themen in Verbindung gebracht wird." Auch vor dem Referendum verzichten Präsident und Verein auf Stellungnahmen.

Mit seiner Zurückhaltung ist Orman unter seinen Istanbuler Amtskollegen nicht allein. Fenerbahce-Präsident Aziz Yildirim ließ ebenfalls verlauten, der Verein "sei kein Teil der Politik". Für welche Möglichkeit sich Mitglieder und Anhänger Fenerbahces beim Referendum auch immer entscheiden, müsse respektiert werden.

Hakan Calhanoglu schließt sich einer Ja-Kampagne an

Welche Konsequenzen es geben kann, wenn man sich in irgendeiner Form gegen die Regierung stellt, mussten die Verantwortlichen von Rekordmeister Galatasaray kürzlich erleben. Nachdem sich die Vereinsmitglieder gegen den Ausschluss der ehemaligen Spieler Hakan Sükür und Arif Erdem entschieden hatten, warnte Sportminister Akif Cagatay Kilic: "Der Galatasaray-Vorstand muss die getroffene Entscheidung dringend korrigieren." Sükür und Erdem sollen der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen nahestehen, die von der türkischen Regierung für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich gemacht wird. Kurz darauf schloss der Verein die beiden Ex-Nationalspieler doch aus.

Im Gegensatz zu den Vereinen haben sich einige bekannte Fußballer vor dem Referendum klar positioniert. Der ehemalige türkische Nationalspieler und heutige TV-Experte Ridvan Dilmen startete mit einer Videoaufnahme eine Ja-Kampagne in sozialen Medien, der sich unter anderen Arda Turan und seine Nationalmannschaftskollegen Burak Yilmaz, Gökhan Töre und Hakan Calhanoglu anschlossen - "für eine starke Türkei".

Auch der Fußballverband ist inhaltlich auf einer Linie mit der Regierung. Präsident Yildirim Demirören hielt Ende März auf einer Veranstaltung, bei der Erdogan unter den Gästen war, eine Rede. Er schloss sie mit einem klaren Bekenntnis ab: Sein Wunsch sei es, "am 17. April in einer Türkei aufzuwachen, die zu einer noch stärkeren Türkei 'Ja' sagt."

(dpa)
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