Irre Partie an der Anfield Road Dieses Spiel war Werbung für die Europa League

Düsseldorf · Franz Beckenbauer war sich möglicherweise gar nicht bewusst, was er anrichten würde. In seiner gewohnt flapsigen Art hatte der Kaiser den damaligen Uefa-Pokal etwas abschätzig als "Cup der Verlierer" bezeichnet.

Borussia Dortmund: Fans klatschen für Jürgen Klopp
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BVB-Fans klatschen für Klopp

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Foto: Screenshot Sky

Ein Image, das sich seitdem hartnäckig hält. Die Europa League ist trotz des neuen Namens und neuem Marketingkonzept immer noch eine Art Stiefkind, der ungeliebte Bruder der weitaus glamouröseren Champions League. Europas zweite Klasse — so hat sich der Wettbewerb über die Jahre in den Köpfen eingebrannt.

Das dramatische Aus von Borussia Dortmund beim FC Liverpool am Donnerstag war allerdings beste Werbung für die Europa League. Und das nicht zum ersten Mal.

Spektakel für die Geschichtsbücher

Liverpool: Jürgen Klopp rastet nach Führungstreffer durch Lovren aus
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Klopp rastet nach Führungstreffer durch Lovren aus

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Foto: ap, FA

Frust, Trauer, Jubel, Wut, pure Emotionen und ein Ende, das es so lange nicht gegeben hat im Fußball. Die Partie zwischen dem FC Liverpool und Borussia Dortmund bot alles, was dieser Sport zu bieten hat. An der Anfield Road wurde über 90 Minuten die gesamte emotionale Palette des Fußballs präsentiert. In der Hauptrolle: Jürgen Klopp, der nie die Hoffnung aufgab und sich am Ende auch bei den Fans des BVB bedankte.

Alle — abgesehen von den Dortmund-Fans — die dieses Spiel gesehen haben, wurden Zeuge eines einzigartigen Spektakels. Das Spiel war vergleichbar mit den Champions-League-Finals zwischen Manchester United und Bayern München 1999 oder Liverpool gegen den AC Mailand 2005. Ein Spiel für die Geschichtsbücher.

Und das, obwohl die Europa League mit einem schlechten Ruf zu kämpfen hat. Dabei sein wollen gefühlt nur wenige, erst Recht nicht die Großen, für die der Cup oft nur nur ein Trostpflaster ist. International ist man dabei, mittendrin aber wiederum auch nicht wirklich. Prioritäten verschieben sich, und dann wird auch schon mal nur die B- oder C-Mannschaft aufs Feld geschickt. Zuletzt sorgten die Tottenham Hotspur im Achtelfinale gegen Borussia Dortmund für Aufsehen, als die "Spurs" im Hinspiel ihre Stars schonten und 0:3 verloren. In England muss dank der TV-Gelder niemand mehr auf den Pfund schauen, dann ist im Endspurt der nationale Titel schon mal wichtiger.

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Foto: AFP FILES, AFP

Dabei wurde der Wettbewerb erst kürzlich aufgewertet. Der Sieger darf in der Folge-Saison in Königsklasse starten. Auch finanziell gab es von der Uefa einen Zuschlag, auch wenn der im Vergleich zur Königsklasse bescheiden daherkommt. Zwar brüstet sich die Uefa damit, dass ab der Saison 2015/16 63,9 Prozent mehr Prämien in diesem Wettbewerb ausgeschüttet werden als zuvor.

In Zahlen liest sich das aber so: Für einen Sieg in der Gruppenphase zahlt die Uefa eine Prämie von 360.000 Euro — in der Champions League sind es 1,5 Millionen. Allein der Start in der Königklasse wird mit zwölf Millionen Euro belohnt — in der Europa League gibt es lediglich 2,4 Millionen Euro.

Monetär nur zweite LIga

Die Teilnahme in der Liga der Besten ist alleine mehr wert als das Erreichen des Endspiels der Europa League. Rechnet man die Prämien zusammen, die es für die K.o.-Runden in der Europa League gibt, kommt man auf 3,85 Millionen Euro. Selbst der Verlierer des Endspiels, der sich mit 3,5 Millionen Euro trösten darf, bleibt damit unter den 12 Millionen Euro Startgeld in der Champions League.

Nur der Sieger kassiert zusammengerechnet mehr als die Teilnehmer in der Königsklasse. Insgesamt werden in der Champions League 1,257 Milliarden Euro an Prämien ausgeschüttet, in der Europa League dagegen nur 381 Millionen. All das ohne das Geld aus dem Marketingpool, das sich nach dem Erfolg der deutschen Mannschaften richtet. Es lässt sich zwar so unter dem Strich mehr Geld verdienen als früher, unterbewertet bleibt die Europa League trotzdem. Das Gefühl der zweiten Klasse findet man auch in vielen Stadien wieder, wo die Resonanz oft überschaubar ist.

So reisten zwar 2013 mehr als 10.000 Gladbacher nach Rom, in der ewigen Stadt fanden aber ebenfalls nur 10.000 Anhänger von Lazio den Weg ins Stadion. Geisterkulissen findet man oft, auch in Deutschland kommt es nicht selten vor, dass einige Plätze leer bleiben, was bei Vorrundengegnern wie Apollon Limassol, Asteras Tripolis oder FK Qäbälä aber auch nicht unbedingt verwunderlich ist.

Auch wenn zum Duell gegen den Letztgenannten in Dortmund immerhin 57.000 Fans kamen. Auf der anderen Seite bekommt der VfL Wolfsburg sein Stadion auch in der Königsklasse nur mit Mühe voll, wenn überhaupt. Ab der K.o.-Runde muss sich die Europa League von den Namen her nicht mehr unbedingt hinter der Königsklasse verstecken.

Es ist also nicht nur ein Problem der Europa League selbst, doch gegen die monetäre Zweitklassigkeit kann und sollte die Uefa etwas tun, damit der Wettbewerb vielleicht mal sein Verlierer-Image verliert. Er hätte es verdient. Nicht erst seit den 94 Minuten von Liverpool.

(are/seeg)
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