Kolumne: Gegenpressing Eine Fußballnacht zum Genießen

Düsseldorf · Zum Glück gibt es Abende wie den von Liverpool, Fußballspiele, die vergessen lassen, dass es sich um ein globales Geschäft handelt, in dem sich Anhang und Darsteller voneinander entfremdet haben.

 RP-Sportchef Robert Peters.

RP-Sportchef Robert Peters.

Foto: Phil Ninh

Ein paar Schlagzeilen der Woche: Die Deutsche Fußball-Liga zerstückelt die Bundesliga-Spieltage. Die DFL strebt den ersten Rechtevertrag über eine Milliarde Euro an. Die Basis begehrt auf. Fans wollen Spieltage boykottieren. Die Schlüsselwörter: Entfremdung, kaltes Produkt, Millionengehälter, Künstlichkeit, Showgeschäft — mit Betonung auf Geschäft.

Aber es gibt noch diese Abende, an denen man das alles vergisst, die einen mitreißen in einen Fußballrausch, an den Ursprung dieses Sports, mitten in sein unsterbliches Herz. Die Europa-League-Begegnung zwischen dem FC Liverpool und Borussia Dortmund war so ein Abend. Sie bot Tempo, Drama, eine irre Torfolge, Kampf, Stimmung und einen glücklichen Sieger, der seine ganze Überzeugung in dieses Spiel gelegt hatte.

Solche Nächte erklären die Faszination des Fußballs, weil sie so schlecht zu erklären sind. Der Spielverlauf widersprach jeder Logik, weil Dortmund zweimal klar führte und doch verlor. Die Liverpooler Spieler schöpften ihre Kraft aus dem Glauben an sich selbst, aus dem Rückhalt, den ihnen das Publikum gab, und aus dem britischen Grundsatz, nie aufzugeben.

Am Ende flogen die Kämpfer aus Liverpool den fußballerischen Feingeistern aus Dortmund davon, sie segelten auf der Stimmung des Abends ins Ziel. Sie kamen in jenen Rausch, der Zuschauer sogar am Fernseher erfasste. Und sie werden diese Nacht nicht vergessen, weil sie ihnen zeigt, was möglich ist in diesem Spiel.

Die Dortmunder werden die Nacht auch nicht vergessen. Natürlich war es eine Lehrstunde. Ein Nachhilfeunterricht in Fragen der fußballerischen Grundtugenden. Aber auch die Erfahrung der Hilflosigkeit, wenn sich die Kräfteverhältnisse auf dem Platz plötzlich fast unnatürlich, jedenfalls mit den sogenannten Gesetzen des Sports nicht nachvollziehbar, verschieben. Wenn der Gegner Flügel bekommt und die eigenen Beine schwer werden, wenn das große Grübeln einsetzt, während der spätere Sieger ohne lästiges Nachdenken nur noch handelt, spielt im eigentlichen Sinn des Worts.

Das ist dann Fußball, der keinen Gesetzen mehr gehorcht, weil er sich in den Emotionen des Augenblicks selbst entwickelt. Das sind ergreifende Momente — selbst für die, die das Ergebnis jetzt nicht so toll fanden. Die Nacht von Liverpool hatte so viel Magie, dass sie das Geschäft Fußball für zwei Stunden zur Nebensache machte. Es war ein großer Tag für den Fußball, eine Nacht zum Genießen.

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(RP)
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