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EM-Tagebuch Wenn das Tablet bunte Streifen zeigt

Tablet-Computer sind klotzigen Laptops klar überlegen. Solange sie funktionieren. Tun sie es nicht mehr, bescheren sie den Nutzern böse Träume und menschliche Warteschleifen. Unser Autor wird deshalb Bordeaux' Altstadt sicher kennenlernen. Beim nächsten Mal.

 RP-Sportchef Robert Peters berichtet von der EM in Frankreich.

RP-Sportchef Robert Peters berichtet von der EM in Frankreich.

Foto: Phil Ninh

So ein Tablet-Computer ist eine ganz feine Sache. Er ist handlich, schnell verpackt, leicht. Er ist immer sofort auf Sendung, ganz anders als ich selbst. Ich kann wunderbar damit schreiben. Und er versetzt mich in die Lage, anderen Menschen, die sich mit Truhen voller Elektronik abplacken müssen, mit einem leisen Gefühl der Überlegenheit zu begegnen. "Die Armen", denke ich voller Güte. Jetzt weiß ich, was der Spruch "Hochmut kommt vor dem Fall" bedeutet. Noch während ich Texte für die Heimat in mein handliches Arbeitsgerät klappere, beschließt irgendein extrem garstiger Reportergott, mir eine wohldosierte Lehre zu erteilen.

Der Freitagabend bricht über Evian herein, ich frage gerade mein Wundertelefon über die Sehenswürdigkeiten von Bordeaux aus und wil mir ein paar davon auf meinem Tablet anschauen. Da zeigt es mir ein wunderliches Bild. Es könnte in einer Ausstellung hängen, ist im Allgemeinen sehr gestreift und im Besonderen ziemlich bunt. Das finde ich doch ein bisschen alarmierend.

Zu Recht, wie mir kundige Zeitgenossen aus der Heimat bestätigen. Es ergeht der Beschluss: "Das Ding ist hin." Das finde ich doof. Mein Ersatzgerät ist nicht nur genauso schwer wie eine mittlere Kühltruhe, es stammt auch aus der Eisenzeit der Computer. Deswegen hat es Mühe, mit dem Datenverbrauch des, sagen wir mal, Mittelalters mitzuhalten. Technisch Begabtere sagen kühl: "Das Ding taugt nix."

So wird es ein unterhaltsamer Abend mit vielen Fragen und einer klaren Antwort: "Du brauchst ein neues Ding." Die Aussicht darauf macht die Nacht sehr unruhig, weil auf unserem Berg in Evian kein Elektronik-Großhändler wohnt. Außerdem lässt der Regengott mal wieder die Muskeln spielen und schickt mit seiner Freundin, der Gewitterhexe, ein Unwetter über den See, dass dagegen selbst die Farben auf meinem kleinen Computer verblassen.

Zwischen Blitz und Donner verheißt mir mein Wundertelefon, dass es in Bordeaux zwischen all den Sehenswürdigkeiten einen Laden gibt, der mit dem Handel treibt, was ich so dringend benötige. Das ist eine Aussicht, die mich in einen unruhigen Schlaf fallen lässt, in dessen Träumen Kühlschränke mit Tastaturen, bunte Bildschirme und böse lachende dicke Götter mit Obstsymbolen auf der Jacke vorkommen.

In Bordeaux lerne ich die Warteschleife auf Erden kennen. Im Unterschied zu Telefon-Diensten, die einen stundenlang mit Musik verwöhnen, zwischendrin Gesprächsansätze zu vermitteln vorgeben ("Wenn Sie ein Problem haben, drücken Sie die Eins, haben Sie keines, drücken Sie die Zwei, ich habe Sie nicht verstanden"), setzt der Laden auf direkte Kommunikation. Ein Herr mit Obstlogo auf dem Hemd nimmt mich in Empfang, lässt sich mein Anliegen mit Händen und Füßen vortragen und verweist mich an den nächsten. Der scheint ein Experte zu sein, denn er trägt einen kleinen Computer mit sich herum. Ich zeige ihm das kleine Kunstwerk auf meinem Bildschirm, er nickt bedeutungsvoll und schreibt was in seinen Computer. Dann fragt er mich nach meinem Namen, notiert "Robert Peterson" (wahrscheinlich ist er Island-Fan) und verkündet mir stolz, er habe noch einen Termin frei: in anderthalb Stunden.

Zwei Fußball-Halbzeiten laufe ich Spuren ins Parkett, baue mich in regelmäßigen Abständen freundlich lächelnd vor dem Experten auf, der zurücklächelt und dem nächsten "Irgendwie-son" einen Termin verpasst. Durchs Fenster komme ich in den Genuss, viele deutsche Fans und einen Musiker zu bestaunen, der von Touristen fotografiert wird. Weitere Exkursionen in die Altstadt untersage ich mir, weil langsam ein wenig Unruhe in mir aufsteigt.

Eine Viertelstunde nach dem vereinbarten Termin erkennt mich der Experte wieder und vermittelt mich nach kaum 30 Minuten an den nächsten Herrn im Obsthemd. Ich beschließe, nie mehr Äpfel zu essen. Der dritte Fachmann diagnostiziert mit festem Blick einen Defekt. Er tauscht das Gerät aus, ich rase zum Stadion, damit die Uefa mich nicht wegen zu späten Erscheines auf dem Marktplatz auspeitschen lässt.

In der Zeit hätte ich gemütlich die stilprägende Altstadt von Bordeaux studieren können. "Eine Stadt, die durch die grandiose, fast vollständig erhaltene Anlage besticht", wie mein Wundertelefon berichtet. Mache ich dann beim nächsten Mal.

(RP)
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