EM-Kolumne Lasst die Kleinen in Ruhe!

Düsseldorf · Die Fußball-Experten lästern über die spielerischen Defizite von Ungarn, Albanien oder Irland. Dabei tragen deren Auftritte und Fan-Begeisterung zum EM-Gefühl bei. Denn nur sie können mit einem Sieg Geschichte schreiben.

 RP-Kolumnistin Martina Stöcker.

RP-Kolumnistin Martina Stöcker.

Foto: Phil Ninh

Thomas Hitzlsperger verzog ein wenig gequält das Gesicht: Ja, die spielerische Qualität der Ungarn, hm, die lässt ja doch zu wünschen übrig. Da haben andere Mannschaften ein ganz anderes Potenzial. Ja, die Ungarn, was machen die eigentlich bei der EM? Man nennt es Qualifikation, und wenn die Uefa das Teilnehmerfeld aufbläht, muss man sich nicht wundern, wenn solche Fußball-Nationen dann auch mitmachen dürfen. Willkommen im EM-Club!

Die anderen Mannschaften haben sicherlich ein größeres Potenzial, es scheint ja fast unendlich, wenn man die Namen der Stars liest. Und doch haben viele große Mannschaften in der Vorrunde ihre Leistung noch nicht abgerufen. Aber sie könnten, wenn sie wollten, betonen die Experten, lasst die noch ein paar Spiele machen - und wenn der schöne Fußball erst im Spiel 10 nach dem Finale kommt. Irgendwann muss sich das Talent zeigen. Das erinnert ein wenig an die Eltern eines Hochbegabten, die zum Krisengespräch in die Schule gebeten werden und beteuern: "Aber er hat doch solch ein großes Potenzial ..."

Da lobe ich mir die kämpfenden Fußball-Nationen, die sich noch über ein Unentschieden wie Bolle freuen und deren Fans von Stadion zu Stadion taumeln, sich kneifen und sagen: "Träum ich? Oder sind wir wirklich dabei?" Iren und Nordiren feiern sich mit kultigen Fangesängen, die Isländer lassen ein kleines Land kopfstehen. Und nicht zuletzt die Albaner, die ihren ersten EM-Sieg feierten wie andere den Sieg einer EM. Sie können eben Geschichte schreiben, auch wenn Sterne unerreichbar sind.

Martina Stöcker (43) mag Schalke 04 und leitet das Ressort Report/NRW.

(RP)
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