EM-Kolumne Ein Supermarkt in Schwarz-Rot-Gold

Ein Einkauf im Rausch der Nationalfarben: Jedes Produkt gibt es zurzeit als EM-Edition. Und wenn man es schon nicht als Fußball-Fan kaufen will, wer soll es dann tun?

 RP-Kolumnistin Martina Stöcker.

RP-Kolumnistin Martina Stöcker.

Foto: Phil Ninh

Hersteller von orangefarbenem Farbstoff muss die misslungene EM-Qualifikation der Niederländer hart getroffen haben: Sie sitzen auf Tonnen Oranje, der sonst Gummibärchen, Zuckerguss und Frietsaus gefärbt hätte. Doch im deutschen Supermarkt herrschen längst niederländische Verhältnisse - alles mit Fußball drauf, in Schwarz-Rot-Gold, jedes Angebot ein "Volltreffer". Es fehlt nur noch, dass der Regaleinräumer die Erdbeeren zwischen die blauen Weintrauben und Bananen legt. Aber das macht er sicher noch, spätestens am Wochenende, das erste deutsche Spiel schon vor Augen.

Die Marketingstrategen haben an alles gedacht, und das ist selbst für einen Fußball-Fan schwer zu ertragen: Zum Anpfiff um 15 Uhr gibt es den Kuchen, auf dem aus Obst eine deutsche Fahne gelegt wurde. Spätere Spiele werden mit einem "Anstoßbier" begossen, so steht es zumindest auf der Dose. Chips und Würstchen gibt es in EM-Editionen, Senf und Ketchup werden zum "guten Team". Wenn es nach dem Angebot in den Supermärkten geht, gibt es während einer Fußballmeisterschaft nur eine gesellschaftlich akzeptierte Ernährungsform: Gegrilltes in jeder Variation. Wenn das so eintritt, wird Deutschland in eine riesige Rauchwolke gehüllt sein, Flugzeuge müssen umgeleitet werden, weil das ganze Volk nur noch anfeuert - und das im wahrsten Sinne.

Und dann gibt es im Supermarkt noch Artikel, die vorher niemand unbedingt in Beziehung zum Fußball gesetzt hat: Aber nun kommt sogar das Klopapier als EM-Edition, statt Blümchen sind Bälle draufgedruckt. Es gibt einen Raumerfrischer in den Nationalfarben. Das Küchenkrepp saugt mit Torwart-Handschuhen-Muster so gut, wie Manuel Neuer hoffentlich hält. Und als Höhepunkt kommt sogar das Geschirrspülmittel als Frankreich-Ausgabe mit Eiffelturm daher! Oh, là, là, da bleibt nur ein Wunsch offen: Möge das Spülen endlich beginnen . . .

Martina Stöcker (43) mag Schalke 04 und leitet das Ressort Report/NRW.

(RP)
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