EM-Qualifikation Island schreibt Fußball-Geschichte: "Ein Bier wäre schön"

Amsterdam · Außenseiter Island steht kurz davor, erstmals eine Europameisterschaft zu erreichen. Es ist ein Erfolg, der nicht ganz zufällig kommt.

Oranje erlebt Debakel gegen Island
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Nachdem Island einmal mehr die Fußball-Welt erstaunt hatte, sprach Trainer Heimir Hallgrimsson seinen Spielern wohl aus der Seele. "Das ist die größte Leistung in der Geschichte des isländischen Fußballs. Jetzt wäre ein Bier schön", sagte Hallgrimsson. Der 48-Jährige, der sich das Amt mit dem Schweden Lars Lagerbäck teilt, sah sich jedoch gezwungen, auf die Partybremse zu treten: "Wir müssen mit beiden Füßen am Boden bleiben."

Zwar bedeutete dieses sensationelle 1:0 (0:0) bei den wesentlich höher eingestuften Niederländern praktisch die Eintrittskarte zur Europameisterschaft im kommenden Sommer in Frankreich, doch in der Theorie könnte noch etwas schiefgehen, und deshalb brauchen die Nordländer am Sonntag (20.45 Uhr) gegen Kasachstan einen weiteren Sieg. "Wir müssen sofort mit der Vorbereitung beginnen", stellte Hallgrimsson klar.

Zweifel bestehen allerdings keine mehr, dass Island nach dem historischen Treffer von Gylfi Sigurdsson (51./Foulelfmeter) sein Fußball-Märchen zu Ende schreibt und diesmal im Gegensatz zur vergangenen WM-Qualifikation nicht kurz vor dem Ziel scheitert. Auch das Selbstvertrauen ist inzwischen gehörig angewachsen.

7. Spieltag: Statistik
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"Wir haben in den letzten Jahren daran gearbeitet, dass die Spieler an sich glauben, auch wenn wir gegen große Gegner spielen. Sie entwickeln immer mehr eine Winner-Mentalität", sagte Ex-Bundesligaprofi Eyjölfur Sverrisson (47) kürzlich dem Berliner Kurier. Sverrisson ist für das U21-Team Islands verantwortlich.

Der Erfolg des gut 300.000 Einwohner zählenden Landes, das vor allem durch den Vulkan Eyjafjallajökull weltweit bekannt wurde, kommt keineswegs aus dem Nichts. Island hat vor 15 Jahren angefangen, die strukturellen Voraussetzungen systematisch zu verändern und den Aufstieg heraufbeschworen.

Weil auf der rauen Atlantik-Insel im Winter an Fußball spielen nicht zu denken war und viele mögliche Talente deshalb monatelang zur Passivität verurteilt waren, wurden Kunstrasenplätze angelegt, Hallen und an Schulen Kleinfelder gebaut.

Island schockt Niederlande
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Alles kein Hexenwerk, aber damit und durch eine qualitativ verbesserte Trainer-Ausbildung gelangte der isländische Fußball auf ein anderes Grundniveau. "Ich denke, dass wir uns durch diese Hallen technisch mit Sicherheit um 50 Prozent verbessert haben", sagte Islands Fußball-Idol Asgeir Sigurvinsson (60), der lange für den VfB Stuttgart spielte, und fügte in der Süddeutschen Zeitung an: "Früher, in den Dörfern, war halt irgendeiner da, der hat das gemacht. Wenn ich heute eine Mannschaft trainieren will, muss ich eine Prüfung machen."

Die Spielergeneration um den früheren Hoffenheimer Sigurdsson (jetzt Swansea) hat sich überdies vernehmbar angekündigt, als sie im August 2010 der deutschen U21-Auswahl um die späteren Weltmeister Mats Hummels oder Benedikt Höwedes die Qualifikation für Olympia in London verdarb. Sigurdsson und Co. bilden nun den Kern des Nationalteams, einige fassten in europäischen Top-Ligen Fuß und hievten die Isländer mittlerweile auf Platz 23 der FIFA-Weltrangliste.

Mit ihrer Leistung am Donnerstag versetzten sie selbst den Regierungschef Sigmundur David Gunnlaugsson (40) in Verzückung. "Jetzt bin ich sprachlos. Alles, was mir einfällt, ist: Glückwunsch an euch, Jungs und ganz Island. Holland hat seit 2007 jedes Heimspiel gewonnen - bis jetzt", schrieb er bei Facebook. Den Text für die geglückte EM-Teilnahme kann Gunnlaugsson jetzt schon mal in Ruhe vorbereiten.

(sid)
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