EM-Tagebuch Warum ich den Empfehlungen des Leibkochs nicht folge

Paris · Geschredderter Blumenkohl auf Lachs ist für Fußballer leistungsfördernd. Andere Kulturgrößen wie Camus oder Aznavour konnten sich mit Käse und Baguette bestens entfalten. Und sie kamen sogar ganz ohne Berater klar.

 RP-Sportchef Robert Peters berichtet von der EM in Frankreich.

RP-Sportchef Robert Peters berichtet von der EM in Frankreich.

Foto: Phil Ninh

Dieser Tage hat uns der Leibkoch von La Mannschaft elementare Dinge über das Essen und vor allem über dessen Zubereitung verraten. Der Vortrag begann mit einer furchtbaren Enthüllung. "Die französische Küche", sagte Holger Stromberg nämlich, "basiert auf vielen tierischen Fetten." Zur Ernährung unserer Hochleistungssportler tauge sie somit also nicht. Er schaute sehr streng. Schrecklich.

Thomas Müller, Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger werden darum vom Leibkoch mit pflanzlichen Fetten oder geschreddertem Blumenkohl auf Lachs oder umgekehrt in Form gehalten, obwohl Schweinsteiger im gesetzteren Alter so aussieht, als habe er außerhalb des Geltungsbereichs der strengen Ernährungsvorschriften bei La Mannschaft weder gegen einen guten französischen Käse noch gegen Spaghetti Bolognese mit reichlich Parmesan etwas einzuwenden.

Stromberg schüttelt es dagegen schon, wenn er die Wörter Burger oder Pizza nur in den Mund nehmen muss, geschweige denn den Burger oder die Pizza selbst. Es versteht sich, dass dergleichen unter den Hoffnungsträgern der Fußballnation so lange tabu ist, bis sie uns gefälligst den Europameistertitel gewonnen haben. Danach können sie essen, was sie wollen.

Ich tue das ohnehin. Erstens, weil ich in diesem Leben kein Hochleistungssportler mehr werde. Und zweitens, weil es bereits meine aus zwei Kochplatten und einer Mikrowelle bestehende Miniaturküche gar nicht erlaubt, Figur und Magen schonende Gerichte aus dem großen Rezeptbuch des Leibkochs nachzubereiten. Zum Lachs auf geschreddertem Blumenkohl fehlt mir vor allem die Küchenmaschine, die den Blumenkohl angemessen schreddern würde. Und ob ich denn eine vernünftig bedienen könnte, ohne dem ganzen Raum eine natürlich-frische Wandbemalung zu verpassen, ist auch noch nicht heraus. Ich will es lieber nicht überprüfen. Ganz abgesehen von der Frage, wo um Himmelswillen Kerbel, Minze und Koriandersamen aufzutreiben sind.

Mit einem kleinen schlechten Gewissen, für das des Leibkochs empörter Gesichtsausdruck beim Begriff "tierische Fette" sorgt, wende ich mich trotzdem der Grundlage französischer Ernährung zu. So schlecht kann die ja nicht sein, schließlich hat sie Kulturgrößen wie Albert Camus und Charles Aznavour dabei geholfen, Kulturgrößen zu werden und zu bleiben. Über ihre Fußballkarrieren ist nur bekannt, dass Camus gern ins Tor ging. Europameister wurde er aber nicht - nach allem, was man hört. Dass auch mal was daneben geht wie bei Gérard Depardieu, kommt vor, ist aber nicht die Regel. Er hat wahrscheinlich zu viel Rotwein auf die tierischen Fette geschüttet.

Ich halte mich an die Kleinigkeiten, für die ich meine Miniaturküche nicht in Gang bringen muss. Die Hotelwirtin wird mir das irgendwann sicher mal danken. Auf den Tisch kommen ein paar ordentliche Stücke Beaufort-Käse und ein paar kleinere Scheibchen von einer Salami, die ihre Existenz dem aufopferungsvollen Daseinskampf der Bauern auf den Bergen über mir verdanken soll. Sie heißt Rosette, und ich finde, das klingt schön.

Dazu wird selbstverständlich Baguette gereicht. Hier muss nichts geschreddert oder nachgewürzt werden, weder mit Koriandersamen noch mit Kerbel oder Minze. Es hat auch so den Beifall meiner Geschmacksnerven - Gewissensbisse hin oder her.

Obendrauf gieße ich ein Glas Rotwein, es müssen ja nicht immer gleich ein paar Flaschen sein wie bei Depardieu, und ich fühle mich danach ziemlich gut.

Gut genug jedenfalls für die Herausforderungen, die ein Leben jenseits des Hochleistungssports für mich bereithält. Und ich werde auch künftig an Spieltagen keine Diät aus Kartoffelpüree und leichten Salaten über mich ergehen lassen, nur weil der Leibkoch ihrer Fußball-Majestäten so etwas den Athleten dringend empfiehlt. Ich finde Trost in der Gewissheit, dass ich's manchmal viel einfacher habe als die Fußballer in ihrer goldenen Gegenwelt mit den allgegenwärtigen Beratern für alle Lebenslagen.

Zur Belohnung gönne ich mir noch ein Stück Käse und einen Schluck Wein. Mahlzeit!

(RP)
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