Schlimme Ausschreitungen in Frankreich Uefa erhöht nach Krawallen die Sicherheitsmaßnahmen

Marseille · Schockierende Bilder im alten Hafen von Marseille. Hooligans rasten aus und stürzen die EM ins Chaos. Aber auch die Polizei erntet für ihren kompromisslosen Einsatz Kritik. Die Uefa reagiert.

Schwere Ausschreitungen bei WM und EM
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Foto: afp, LN

Tränengasschwaden im alten Hafen ziehen über Segelboote, Luxusjachten und alte Kutter hinweg, Polizisten rennen mit Schlagstöcken auf randalierende Fans zu. Wo normalerweise Touristen unbeschwert durch die Gassen schlendern, herrscht Ausnahmezustand. Die Bilder aus Marseille rücken die Gefahr durch Hooligans ins Zentrum der EM-Sicherheitsdebatte, die sich bisher vor allem um die Bedrohung durch mögliche Terroranschläge drehte.

Mit drastischen Formulierungen hat die Fifa auf die Krawalle vor und nach dem EM-Vorrundenspiel zwischen England und Russland (1:1) am Samstag in Marseille reagiert. "Die Fifa verurteilt jegliche Gewalt und findet es total inakzeptabel, solche beschämende Szene während eines Fußballspiels sehen müssen, die von einer Minderheit idiotischer Krawallmacher, die nichts mit dem Fußball und wirklichen Fans zu tun haben, verursacht wurden", schrieb sie. Bei den Ausschreitungen am Hafen und im Stade Velodrome nach dem Abpfiff hatte es 35 Verletzte gegeben, ein Fan schwebt weiter in Lebensgefahr.

Ausschreitungen und Reaktionen werfen für manche Beobachter auch Fragen nach dem Vorgehen der französischen Polizei auf. Denn das mitunter rabiate Auftreten der Beamten ist nicht unumstritten. Zugleich klagen Polizisten nach sieben Monaten Ausnahmezustand in Frankreich über zu hohe Belastung durch Kontrollen, Überwachungen, Patrouillen und Einsätze.

Bei verstärkten Kontrollen vor dem ersten EM-Spiel der deutschen Nationalelf hat die Bundespolizei indes in der Nähe von Trier am Sonntagmorgen 18 Hooligans gestoppt und an der Ausreise gehindert. Wie ein Sprecher sagte, handelte es sich um einschlägig bekannte Gewalttäter aus Dresden. Sie seien in drei Kleinbussen unterwegs gewesen, bei ihnen seien Sturmhauben und Mundschutze gefunden worden. Man gehe davon aus, dass sie beim Spiel der deutschen Nationalelf am Sonntagabend gegen die Ukraine in Lille gewalttätige Auseinandersetzungen geplant hätten.

Der massive Einsatz von Tränengas, mitunter auch von Gummigeschossen, ist in Frankreich bei Einsätzen zum "Erhalt der Ordnung" nichts Ungewöhnliches. In den vergangenen Wochen war dies bei den teils ebenfalls von Gewalt überschatteten Protesten gegen die Arbeitsmarktreform zu beobachten. Am 1. Mai endete die Gewerkschaftsdemonstration in einer Tränengaswolke auf dem Pariser Platz der Nation.

Während die Behörden die Eskalation Krawallmachern anlasteten, gab es mehrfach auch Vorwürfe wegen exzessiver Gewaltanwendung, in einigen Fällen wurden auch Untersuchungen eingeleitet. Der Soziologe Fabien Jobard sagte der Zeitung "Le Journal du Dimanche" im Mai vor dem Hintergrund der Demonstrationen, die französische Polizei bleibe in alten Schemata und kommuniziere nicht genug. Die Polizei anderer Länder setzte auf Deeskalation mit Suche nach anderen Lösungen und Gewalt nur als letztem Mittel.

Polizeigewerkschaften verweisen dagegen auch immer wieder auf die hohe Belastung. "Wir sind erschöpft", sagte Alexandre Langlois, Generalsekretär bei der Gewerkschaft CGT für den Polizeibereich, in "Humanité". Kurz vor der Fußball-EM wurde ein Brandbrief des Pariser Polizeipräfekten Michel Cadot an das Innenministerium zur Überlastung der Kollegen in französischen Medien lanciert. Die Regierung nahm die Lage "zur Kenntnis". Sie schickte weitere Militärs zur Verstärkung.

Mit Blick auf die Situation in Marseille betonen Offizielle allerdings auch, sie hätten eine weitere Eskalation unterbunden und Gewalt eingegrenzt. "Schnelle Reaktion, Beherrschung und Entschlossenheit der Polizisten haben zweifellos erlaubt, noch viel schlimmere Zwischenfälle zu verhindern", sagte Marseilles Polizeipräfekt Laurent Nuñez.

Zudem ist das Viertel um den alten Hafen geprägt von kleinen Gassen und verwinkelten Ecken. Dazwischen unterwegs unzählige Menschen in T-Shirt und kurzen Hosen. Hooligans und Touristen sind bis zum ersten Übergriff optisch nicht immer leicht abgrenzbar. Nuñez: "Das ist ein extrem schwieriges Einsatz-Terrain."

(jado/dpa/sid )
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