EM-Kolumne Sänger, Filmemacher und Schlabberhosen-Träger

Linksaußen und Torhüter, so der für bissige Kommentare bekannte Trainer Max Merkel, haben eine Macke. Spezielle Typen sind die letzten Männer – auch bei der EM.

 RP-Kolumnist Markus Rieß.

RP-Kolumnist Markus Rieß.

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Linksaußen und Torhüter, so der für bissige Kommentare bekannte Trainer Max Merkel, haben eine Macke. Spezielle Typen sind die letzten Männer — auch bei der EM.

Torhüter - von ihnen behauptet man ja immer, sie seien eine ganz spezielle Spezies. Zum Beispiel Sepp Maier: Der Münchener hechtete auf dem Rasen schon mal dem Federvieh hinterher oder verknotete Funktionären unter dem Tisch die Schnürsenkel. Ein großer Clown war auch Petar Radenkovic vom TSV 1860 München. Der Jugoslawe ging als singender Bundesligaspieler in die Geschichte ein. Seinen Hit "Bin i Radi, bin i König" konterte Maier übrigens: "Bin i Radi, bin i Depp, König ist der Maier Sepp". Ziemlich speziell war immer auch Jörg Lehmann. Einmal fuhr er, von Schalke-Trainer Jörg Berger ausgewechselt, noch während das Spiel in Leverkusen lief, mit der Straßenbahn heim. Er musste sich bei einem Fan sogar Geld leihen ...

Auch im Achtelfinale der EM habe ich sie gefunden, diese speziellen Typen zwischen den Pfosten. Islands Hannes Halldorsson zum Beispiel. Mit seiner Mannschaft gelang ihm die Riesensensation gegen England. Für Island ein historischer Triumph, für das englische Team eine Art fußball-technischer Brexit. Damit hält Wales morgen gegen Belgien als letztes Team die Flaggen Großbritanniens hoch.

Halldorssons Story ist typisch für die Isländer: Bis vor kurzem war er als Filmemacher ein gefragter Mann, drehte 2012 das Musikvideo für den isländischen Beitrag zum Eurovision Song Contest. Dann fragt ihn ein Freund, ob er nicht in der dritten Liga aushelfen könne. Halldorsson sagt ja. Es geht Schlag auf Schlag. Halldorsson wird Nationalkeeper. Und schreibt jetzt mit seinem Team Fußball-Geschichte. Vielleicht sogar am Sonntag im Viertelfinale gegen Frankreich?

Ein Unikat ist auch Ungarns Gabor Kiraly. In Frankreich brach der 40-Jährige den EM-Altersrekord. Unter den Fußballfans genießt er wegen seiner langen grauen Schlabberhosen Kultstatus. Seit 20 Jahren schon sind sie sein Markenzeichen. Und - Achtung Aberglaube! - angeblich wäscht er sie immer selbst.

Am Wochenende flog er damit gegen Belgien durch den Strafraum. Vergeblich. Am Ende hieß es 0:4, und Kiraly und seine ungewöhnliche Beinbekleidung verabschiedeten sich in die Sommerpause.

Deutschlands Nummer eins, Manuel Neuer, muss hoffentlich noch anderthalb Wochen auf seine Ferien warten. Ich kenne ihn als Keeper "meines" FC Bayern. Manuel ist locker, lässig. Aber wenn es darauf ankommt, hat er den Tunnelblick. So wie am Sonntag gegen die Slowaken. Da war er 40 Minuten fast "arbeitslos" - und dann diese fulminante Parade, als er den Kopfball von Kucka mit den Fingerspitzen über die Torlatte lenkt. Der Lohn kam mit dem Schlusspfiff. Neuer darf sich über einen ganz besonderen Rekord freuen: Viertes EM-Spiel in Serie ohne Gegentor. Das gelang noch keinem deutschen Keeper. So darf's weitergehen!

Markus Rieß (50), in Aachen geboren, ist seit September 2015 Vorstandsvorsitzender der Ergo Versicherungsgruppe. Als Allianz-Chef saß er bis 2015 im Aufsichtsrat des FC Bayern München.

(RP)
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