Verletzungen oder Sperren Bundestrainer sind Kummer gewohnt

Marseille · Mario Gomez, Sami Khedira und Mats Hummels fallen für das EM-Halbfinale gegen Frankreich aus. Bereits die Vorgänger von Bundestrainer Joachim Löw hatten ähnliche Probleme.

EM 2016: Bittere Sperren bei großen Turnieren
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Bittere Sperren bei großen Turnieren

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Foto: dpa, sam

Oliver Bierhoff kann sich noch gut erinnern. "Bei uns gab es keinen Spieler, dessen Beine nicht stundenlang mit Eis behandelt werden mussten und der nicht den halben Tag auf der Massagebank verbrachte", sagt der Teammanager der deutschen Nationalmannschaft. Bierhoff spricht über die entscheidende Turnierphase der EM-Endrunde 1996 in England.

Vor dem Endspiel gegen Tschechien ging die deutsche Mannschaft damals am Stock: Mario Basler, Steffen Freund, Fredi Bobic und Jürgen Kohler verletzt, Jürgen Klinsmann, Thomas Helmer und Stefan Kuntz angeschlagen, Andreas Möller und Stefan Reuter gesperrt. In höchster Not wurde Jens Todt vom damaligen Bundestrainer Berti Vogts nachnominiert, für die Ersatztorhüter wurden Feldspieler-Trikots besorgt.

"Und wir haben dann das Finale trotz aller Widrigkeiten gewonnen", sagt Bierhoff stolz. Er selbst sorgte nach seiner Einwechslung für den 2:1-Erfolg durch Golden Goal (1:1, 0:0). Mit der aktuellen Situation der deutschen Mannschaft bei der EURO in Frankreich könne man das damalige Szenario aber nicht vergleichen, sagt Bierhoff.

Die Ausfälle von Mario Gomez, Sami Khedira, Mats Hummels und möglicherweise auch von Kapitän Bastian Schweinsteiger für das Halbfinale gegen den EM-Gastgeber am Donnerstag in Marseille (21.00 Uhr/Live-Ticker) schmerzten, sagt Bierhoff, aber die Lage sei heute eine völlig andere als damals: "Unser aktuelle Mannschaft ist im Laufe des Turniers zusammengewachsen, hat sich nach und nach gesteigert. Deswegen bin ich überzeugt, dass wir die Ausfälle kompensieren können."

Immer wieder haben in der Vergangenheit Verletzungen oder Sperren dem jeweiligen Bundestrainer oder Teamchef bei seinen Planungen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bei der EM 2008 brachte Löw bei seinem ersten Turnier als Cheftrainer im Finale gegen Spanien (0:1) Kapitän Michael Ballack, der wegen einer hartnäckigen Wadenverletzung gehandicapt war. "Einen solchen Fehler mache ich nicht noch einmal", sagte Löw, ohne den Namen Ballack auszusprechen.

Ballack war möglicherweise auch deshalb übereifrig, weil er sechs Jahre zuvor wegen einer Gelbsperre das WM-Finale in Tokio gegen Brasilien verpasst hatte. Im Halbfinale gegen Südkorea hatte er sich die zweite Verwarnung eingehandelt, erzielte kurz darauf den 1:0-Siegtreffer für die DFB-Auswahl. Beim 0:2 gegen die Selecao war der bis dahin beim Turnier in Japan und Südkorea überragende Mittelfeldspieler nur Zuschauer.

2010 ereilte Thomas Müller ein ähnliches Schicksal. Der Münchner erinnert sich noch gut daran, wie er für ein vermeintliches Handspiel im Viertelfinale gegen Argentinien seine zweite Gelbe Karte in Südafrika sah. "Das war ein Witz", sagt der in Frankreich noch glücklose Torjäger über seine folgende Sperre, die ihm ein Schiedsrichter aus Usbekistan eingebrockt hatte. Ohne Müller, den späteren WM-Torschützenkönig, unterlag Deutschland im Halbfinale gegen Spanien (0:1).

Bei der WM 2006 soll Torsten Frings nach dem gewonnenen Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Argentinien Julio Cruz einen Faustschlag versetzt haben. Der damalige Bremer wurde nachträglich gesperrt und fehlte Gastgeber Deutschland im Halbfinale gegen Italien (0:2 n.V.) an allen Ecken und Enden.

Bierhoff sieht die aktuellen Ausfälle gelassen. "Es gab bei anderen Turnieren genug Beispiele, bei denen Spieler, die man nicht auf dem Plan hatte, entscheidend waren und überraschend gut agierten", sagt er: "Ich bin das beste Beispiel dafür."

(sid)
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