Verletzter Kapitän Schweinsteigers neue Kleider

Düsseldorf/Ascona · Der Kapitän der Nationalmannschaft trägt immer häufiger Anzug und Krawatte, weil ihn Verletzungen von der Ausübung seines Berufs abhalten. Dennoch setzt Bundestrainer Löw für die EM auf seinen Spielführer.

Bastian Schweinsteiger – Leader und Weltmeister
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Das ist Bastian Schweinsteiger

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Foto: dpa, zeus fgj hpl hjb

Am Wochenende hat Bastian Schweinsteiger wieder eine gute Figur abgegeben. In den sogenannten sozialen Netzwerken feierte er das Team von Manchester United für den Sieg im FA-Cup-Finale. Und er ließ sich gemeinsam mit den Siegern und der Trophäe ablichten. Es sind sehr ähnlich komponierte Bilder. Schweinsteiger lächelt im schmucken Anzug mit Krawatte in die Kamera, ein oder mehrere seiner Mannschaftskollegen stehen strahlend im Trikot dabei. Ein bisschen wie ein Geschäftsmann sieht der Deutsche aus. Es ist ein erster Blick in das Ende einer Fußballer-Karriere, das nicht mehr weit entfernt scheint.

Diese Laufbahn beginnt vor 18 Jahren bei seinem Heimatklub Bayern München. Sie führt sehr schnell in die Nationalmannschaft, wo der Mittelfeldspieler als Teil des Unterhaltungs-Duos Schweini und Poldi beginnt, aber schon bald ins Charakterfach des großen Spielmachers wechselt. Schweinsteiger hat seine größte Stunde im WM-Finale von Brasilien gegen Argentinien. Wie ein großer Held aus einem Sagenbuch stemmt er sich in dieses Spiel, mit blutenden Wunden, letztem Einsatz und Tränen des Glücks wird er zum Gesicht der Mannschaft, die den Weltmeistertitel gewinnt.

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Foto: Hotel Giardino

Das hat ihn ins Gedächtnis der Fußball-Nation eingebrannt. Und so erinnert sich auch Bundestrainer Joachim Löw an den mittlerweile 31-Jährigen, obwohl der seit mindestens zwei Jahren durch ein tiefes Tal von Verletzungen watet. Obwohl er mehr humpelt, als er spielt und auf der wohl letzten Karriere-Etappe in England bei Manchester United keine prägende Rolle mehr einnimmt. Er ist zunehmend der gelegentliche Trainingsgast, der in seinen Verletzungspausen Teamgeist beweist - wie bei seinen Fotosessions nach dem Pokalfinale.

Löw hat ihn nach dem Titelgewinn in Brasilien und nach dem Abschied von Philipp Lahm zum Kapitän der DFB-Auswahl gemacht. Deshalb steht Schweinsteiger ungeachtet seiner langen Verletzungspause und der Tatsache, dass er erst wieder im Aufbautraining ist, im Aufgebot für die EM. Heute beginnt in Ascona das Training des Weltmeisters, der sich als einer der natürlichen Favoriten auf den EM-Titel betrachtet. Und Schweinsteiger ist dabei. "Wenn er hundertprozentig fit ist, wird er unser Kapitän sein", sagt Löw.

Der Coach ist schon einmal von dem vermeintlich ehernen Grundsatz abgewichen, nur absolut austrainierte und gesunde Spieler mit in die Vorbereitung auf ein wichtiges Turnier zu nehmen. Vor der WM waren Schweinsteiger, Sami Khedira und Manuel Neuer angeschlagen. Neuer schaffte es rechtzeitig zum ersten Spiel ins Tor, Khedira und Schweinsteiger wurden noch in Brasilien langsam an die hohen Belastungen herangeführt. Das Ergebnis dieses zumindest mutigen Umgangs mit der Besetzung von Kaderplätzen gibt Löw Recht. Mehr als den Titel konnte er in Brasilien nicht gewinnen. Khedira und Schweinsteiger trugen Großes dazu bei.

Auch diesmal kommen die beiden zentralen Mittelfeldspieler angeschlagen. Während sich aber Khedira in der Saison bei Juventus Turin auf ein gehobenes Niveau gespielt hat und sich wohl schnell erholen wird, gibt Schweinsteiger viel mehr Anlass zur Skepsis. Wahrscheinlich auch bei Löw, der das allerdings nicht öffentlich macht.

Es ist nicht einmal auszuschließen, dass er seinen Kapitän auch dann zum Turnier nach Frankreich mitnimmt, wenn Schweinsteigers Fitnesszustand keine Vollzeitbelastung in einem Spiel zulassen würde. Löw braucht den Kapitän als ordnende, buchstäblich führende Kraft im Hintergrund. Schweinsteigers Wort zählt in der Nationalelf, selbst wenn seine Außenwirkung eher gering ist. Ein Lautsprecher auf dem Podium war und wird er nicht mehr.

Eher ungewiss ist, ob er noch mal Leistungen wie in der Spätphase der WM bieten kann. Die vergangenen zwei Jahre lassen sogar besonders Zuversichtliche daran zweifeln. Vielleicht wird der Kapitän zum Spielführer außerhalb des Spielfelds.

(pet)
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