Nordirland - Deutschland 0:1 Gomez schießt Deutschland zum Gruppensieg

De Weltmeister ist im Turnier angekommen. Deutschland hat gegen Nordirland eine über weite Strecken weltmeisterliche Vorstellung abgeliefert. Dass es am Ende nur einen 1:0 (1:0)-Erfolg gab, lag an der mangelnden Chancenverwertung.

Nordirland - Deutschland: Die Einzelkritik zur EM 2016
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Nordirland - Deutschland: Einzelkritik

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Mario Gomez erzielte das Tor des Tages. Deutschland spielt nun im Achtelfinale am Sonntag (18 Uhr/Live-Ticker) in Lille gegen den Dritten der Gruppe A, B oder F.

"Es war ein sehr souveräner Sieg", sagte Torschütze Gomez zurecht, "knapp ist es, wenn die anderen richtig viele Chancen gehabt hätten." Die hatte Nordirland nicht, die deutsche Mannschaft dafür umso mehr, aber: "Die Chancenverwertung war auch schon in den ersten beiden Spiele das Problem", stellte Gomez fest. "Wir haben gut und überzeugend gespielt, aber viel zu wenig Tore geschossen. Das war das Manko", sagte Mats Hummels, betonte aber: "Wenn wir auf die absoluten Top-Teams treffen, werden wir noch eine Schippe drauflegen können."

Natürlich wurde "Will Grigg's on fire" gesungen, die nordirische Hymne der EM. Die deutschen Fans im Pariser Prinzenpark machten gerne mit. Und sie hatten auch sonst viel Spaß beim dritten Gruppenspiel ihrer Mannschaft. Sie setzte sich nach einer einseitigen Begegnung mit 1:0 gegen den Außenseiter durch. Damit hat das Team von Bundestrainer Joachim Löw erwartungsgemäß das Achtelfinale erreicht.

Zur Pause schon werden sich die Nordiren gefragt haben, warum sie lediglich mit einem 0:1-Rückstand in die Kabine durften. Denn die Deutschen hatten Chancen für drei Spiele. Eine, nur eine nutzte Mario Gomez mit ein wenig Unterstützung der nordirischen Abwehr zur Führung, doch allein Thomas Müller scheiterte dreimal in äußerst aussichtsreicher Position. Sein Alleingang endete bei Torwart Michael McGovern, sein Kopfball flog an den Pfosten, sein Schuss gegen die Latte. Deutschland hatte in 45 Minuten mehr Kombinationen und mehr Torgelegenheiten als in den beiden Spielen zuvor zusammen.

"Wir wissen alle: die Tore haben gefehlt. Hundertprozentig zufrieden ist man nicht, wenn man so viele Hundertprozentige hat liegen lassen", sagte Thomas Müller.

Eine ganz starke Vorstellung gab dabei Joshua Kimmich, der für Benedikt Höwedes den rechten defensiven Flügel besetzte und seine Rolle extrem offensiv anlegte. Dadurch gab er den Kollegen viele Möglichkeiten zum Anspiel, und sein Anteil an oft sehr flüssig vorgetragenen Angriffen war hoch, weil er ohne den Hauch von Nervosität seine fußballerischen Qualitäten einbrachte.

Löws Elf spielte mit mehr Tempo und in der vordersten Linie so beweglich, dass die nordirische Abwehr mit dem Löcherstopfen nicht mehr nachkam. So mancher Abwehrspieler wird zur Pause mit Schwindelgefühlen behandelt worden sein. Auf der Gegenseite wurde der deutsche Innenverteidiger-Block von den Jungs in Grün nicht gefordert.

Weil aber unter dem Strich zunächst mal nicht mehr als das eine Törchen stand, konnten und wollten die Deutschen den Fuß nicht vom Gaspedal nehmen. Das offensive Trio hinter Gomez (Müller, Mesut Özil, Mario Götze) mühte sich um ständigen Positionstausch und ging bereitwillig auch so manchen vermeintlich unnützen Weg. Da war die Botschaft von Verteidiger Jerome Boateng offenbar angekommen. Er war nach der trüben Vorstellung der Angreifer beim torlosen Unentschieden gegen Polen in die verbale Offensive gegangen. Mangelnde Laufbereitschaft hielt er den Kollegen vor. Das musste er diesmal nicht tun.

Angeschlagener Boateng ausgewechselt

Er selbst nutzte die Anspielmöglichkeiten, die sich durch das deutlich verbesserte Engagement der Abteilung Angriff boten, zu seinen hinreichend bekannten Steilpässen. Eine Viertelstunde vor Schluss musste Boateng allerdings angeschlagen vom Feld, und die medizinische Abteilung auf der Bank schaute besorgt. Löw nahm Boateng aus Sorge um die Einsatzfähigkeit des Abwehrchefs im weiteren Turnierverlauf aus dem Spiel. Boateng habe über Probleme in der Wade geklagt. "Ich wollte kein Risiko eingehen. Wenn es ein Riss oder eine Zerrung ist, ist das Turnier zu Ende. Da wollte ich lieber auf Nummer sicher gehen", sagte der Bundestrainer.

Weil Boatengs Mitspieler im vorderen Mittelfeld mit ihren schnellen Pässen die Deckung der Nordiren weiter durchlöcherten, verbuchte die DFB-Auswahl auch nach dem Wechsel zunächst in nahezu jedem zweiten Angriff eine dicke Chance. Mehrere ließ Götze aus, er hätte sich vor seiner Auswechslung gegen André Schürrle einen besseren Abgang verschaffen können.

Seine Mannschaft dagegen versäumte es, tatsächlich das Schützenfest zu feiern, von dem Müller am Tag vor dem Spiel noch eher verschämt geträumt hatte. Der verschwenderische Umgang mit den Torchancen wird dann wohl das nächste Thema bei den Mannschaftssitzungen sein. Löw registrierte immerhin zufrieden, dass sein Team die fußballerische Überlegenheit in viel mehr Torgefahr verwandelte. "Wir werden wieder Chancen haben, da mache ich mir gar keine Sorgen", hatte er mit der Gelassenheit des Weltmeisters erklärt.

Weniger gelassen wird er miterlebt haben, dass seine Mannschaft dem Gegner lange die Hoffnung auf ein besseres Ergebnis zugestand. Nordirland behielt die Verteidigungshaltung bei und setzte auf kleine Aufbaufehler des Favoriten, die zumindest zu Ansätzen von Kontern führen konnten.

Löw baute dieser Gefahr vor, indem er seinen Kapitän einwechselte. Bastian Schweinsteiger, der defensiv denken kann, schloss die Zentrale. So viel Vorsicht war nötig geworden, weil das nächste Tor einfach nicht fallen wollte. Zum hochverdienten Sieg reichte es dennoch.

(pet)
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