Spiel hat besondere "Brisanz" Fokus auf Frankreich: Löw blendet DFB-Affäre aus

Die DFB-Affäre begleitet die deutschen Weltmeister auch nach Paris. Bundestrainer Joachim Löw fiel es schwer, den Fokus auf den EM-Testlauf zu lenken.

Frankreich - Deutschland: die Fakten
Infos

Frankreich - Deutschland: die Fakten

Infos
Foto: dpa, geb nic jkh nic

Der Platz von Wolfgang Niersbach in Reihe 1 von Sonderflug LH 342 nach Paris blieb leer, und doch begleitete die WM-Affäre um den zurückgetretenen DFB-Präsidenten die deutschen Weltmeister auch zu ihrem "Rendezvous" mit dem EM-Gastgeber. Bundestrainer Joachim Löw hatte vor dem Duell mit der Equipe Tricolore am Freitag (21.00 Uhr/Live-Ticker) Mühe, die größte Krise der Verbandsgeschichte auszublenden und die Konzentration auf das Sportliche zu lenken.

"Das beeinflusst mich vor allen Dingen als Mensch", sagte Löw am Vortag des Testlaufs für die EURO im Finalstadion von St. Denis über den Abschied von Niersbach: "Den Wolfgang habe ich wahnsinnig geschätzt, er war für mich ein wahnsinnig guter Ansprechpartner mit einem immer offenen Ohr, wir hatten ein sehr enges, gutes und vertrautes Verhältnis." Doch Löw betonte auch, dass ihn die Affäre in seiner Arbeit als Coach "nicht belastet" - und das soll die DFB-Elf im Stade de France unterstreichen.

EM Ball 2016: Der Name des Fußballs lautet "Beau Jeu" - schönes Spiel
13 Bilder

Zidane stellt offiziellen EM-Ball "Beau Jeu" vor

13 Bilder
Foto: dpa, isl hm

Trotzdem mahnte Löw eine möglichst rasche Aufarbeitung der Zusammenhänge rund um die Vergabe der WM 2006 an Deutschland an. "Ich wünsche mir eine klare, schnelle, umfangreiche Aufklärung in dieser Sache", sagte der Bundestrainer.

Konzentrierte Anspannung

Bereits auf dem Hinflug von München in die französische Hauptstadt herrschte konzentrierte Anspannung, als Löw und Kapitän Bastian Schweinsteiger die Weltmeister ins Flugzeug führten. Die WM-Affäre und Niersbach seien "in der Mannschaft ein Thema gewesen", sagte Löw, der über seinem obligatorischen Espresso im Hotel Radisson Blu Boulogne von einem "aufklärenden Gespräch" mit dem Team berichtete. Aber: Jetzt zähle Frankreich, dieser Klasse-Gegner, den Löw "zu den absoluten Topfavoriten" für die EM (10. Juni bis 10.
Juli) zählt.

Allerdings: Am Rande des Länderspiels kommen an der Seine die möglichen Niersbach-Nachfolger Reinhard Grindel und Rainer Koch sowie Reinhard Rauball und Generalsekretär Helmut Sandrock zusammen, um über das Erbe zu beraten. Wie die Lösung ausfällt, soll endgültig am Dienstag vor dem letzten Länderspiel des Jahres in Hannover gegen die Niederlande beschlossen werden. Vor diesem Hintergrund dürfte es Löw schwer fallen, sich voll auf die "erste Phase der EM-Vorbereitung" zu konzentrieren.

Khedira vor Comeback

"Frankreich ist besser als bei der WM, reifer", warnte er mit Blick auf das knappe 1:0 im Viertelfinale von Rio. "Zuletzt habe ich kaum eine Mannschaft gesehen, die mit so einer Zielstrebigkeit versucht, Angriffe abzuschließen. Sie haben mich wirklich beeindruckt. Von daher hat das Spiel für uns eine gewisse Brisanz." Deshalb will Löw seine derzeit bestmögliche Elf stellen. Mit Manuel Neuer, der Frankreich schon in Brasilien zum Verzweifeln gebracht hatte, im Tor. Mit dem Abwehrbollwerk um Jerome Boateng und Mats Hummels. Mit Schweinsteiger und Sami Khedira im defensiven Mittelfeld. Mit Thomas Müller.

Khedira wird gegen Frankreich somit erstmals in der EM-Saison wieder für die deutsche Nationalmannschaft spielen. "Ich denke, dass Sami jetzt wieder bereit ist. Er hat einen guten und aggressiven Eindruck im Training gemacht", sagte Löw.

Ob er auch Rückkehrer Mario Gomez von Beginn an eine Chance geben wird, ließ er offen. Der Profi von Besiktas Istanbul habe sich zuletzt zwar stark präsentiert und habe nach verpasster WM "eine unglaubliche Motivation, es diesmal zu schaffen in Richtung EM". Doch auch Neuling Leroy Sane lobte Löw auffällig. "Ich glaube, dass er ein Spieler ist mit einer besonderen Gabe: besondere Raffinesse und Schnelligkeit gepaart mit Technik und guten Laufwegen."

Offensiv erwartet Löw vor allem die Franzosen, die wieder einmal von einem Skandal gebeutelt werden: Karim Benzema soll Mittelfeldmann Mathieu Valbuena erpresst haben; beide fehlen im Kader von Trainer Didier Deschamps. Doch auch ohne Real-Star Benzema habe Frankreich eine Elf "gespickt mit sehr vielen guten Einzelspielern, die mit einer Dynamik und großen Zielstrebigkeit in der Offensive agiert", betonte Löw. "Sie haben Spieler, die technisch wahnsinnig gut sind, ein sehr gutes Kombinationsspiel, eine unheimliche Kraft, Stärke, Schnelligkeit", schwärmte er.

Eine mögliche Niederlage kalkuliert der Bundestrainer ein. "Alle wollen gute Ergebnisse", sagte er, "für mich hat aber Priorität: probieren, sehen, Erkenntnisse sammeln - und daraus lernen für die EM."

Die voraussichtlichten Aufstellungen:

Frankreich: Lloris (Tottenham Hotspur/28 Jahre/70 Länderspiele) - Sagna (Manchester City/32/52), Koscielny (FC Arsenal/30/24), Varane (Real Madrid/22/25), Evra (Juventus Turin/34/68) - Pogba (Juventus Turin/22/25), Diarra (Olympique Marseille/30/29), Matiudi (Paris St. Germain/28/39) - Griezmann (Atletico Madrid/24/22), Giroud (FC Arsenal/29/43), Martial (Manchester United/19/4)

Deutschland: Neuer (Bayern München/29/62) - Ginter (Borussia Dortmund/21/7), Boateng (Bayern München/27/56), Hummels (Borussia Dortmund/26/43), Hector (1. FC Köln/25/9) - Khedira (Juventus Turin/28/56), Schweinsteiger (Manchester United/31/113) - Müller (Bayern München/26/67), Gündogan (Borussia Dortmund/25/15), Schürrle (VfL Wolfsburg/25/49) - Gomez (Besiktas Istanbul/30/60)

Schiedsrichter: Mateu Lahoz (Spanien)

(sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort