"Jerome, sei unser Nachbar!" Welle der Solidarität für Boateng

Der AfD-Politiker Alexander Gauland löst mit einer diskriminierenden Äußerung über Jerome Boateng heftige Reaktionen aus. Auch die Fans beim Länderspiel in Augsburg reagieren.

Jerome Boateng: Solidarität beim Spiel gegen die Slowakei
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Solidarität für Boateng beim Spiel gegen die Slowakei

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Foto: dpa, geb wok hpl

Am Abend ging Jerome Boateng seiner Arbeit nach, als sei nichts gewesen. Dabei war den ganzen Tag über einiges los, nachdem der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland den deutschen Nationalspieler mit einer diskriminierenden Äußerung beleidigt hatte. "Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut, aber wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben", hatte der Politiker der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) gesagt - und damit einen Sturm der Entrüstung sowie eine Welle der Solidarität für den Weltmeister ausgelöst.

"Es ist ehrlich gesagt traurig, dass heutzutage noch so etwas gesagt wird", sagte Boateng nach dem 1:3 (1:2) der deutschen Nationalmannschaft im Testspiel gegen die Slowakei in Augsburg. "Ich bin froh, Deutscher zu sein, ich bin stolz, sonst wäre ich auch nicht hier in der Mannschaft. Ich glaube, ich bin gut integriert, und mehr muss ich dazu auch nicht sagen", betonte er.

Boateng war gegen die Slowakei sogar kurzzeitig Kapitän, in der zweiten Halbzeit bis zu seiner Auswechslung hatte er die Binde vom tunesisch-stämmigen Sami Khedira übernommen. Der gebürtige Berliner ist Sohn einer deutschen Mutter und eines ghanaischen Vaters und hatte stets davon geträumt, als "erster farbiger Spieler die Kapitänsbinde für Deutschland zu tragen".

Deutschland - Slowakei: Bilder des Spiels
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Vor dem Spiel war die Rückendeckung überwältigend gewesen. Benedikt Höwedes etwa postete Fotos von sich und Boateng im Internet, dazu schrieb er: "Wenn du für Deutschland Titel gewinnen willst, brauchst du Nachbarn wie ihn." Auch im Stadion war die Unterstützung sichtbar, etwa auf Spruchbändern, die von den Zuschauern aufgehängt wurden: "Jerome, sei unser Nachbar!", stand auf einem zu lesen.

Zu diesem Zeitpunkt war Gauland längst zurückgerudert, hatte die Aussagen bestritten. Die FAS widersprach der Darstellung des AfD-Politikers und erhielt dabei Unterstützung vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV), dessen Bundesvorsitzender Frank Überall Gauland "perfides Spiel" vorwarf.

Marc-Andre ter Stegen kassiert Slapstick-Tor gegen die Slowakei
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Ter Stegen kassiert Slapstick-Tor gegen die Slowakei

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Foto: ap, MS, FO

"Jerome ist eigentlich entspannt und fokussiert. Es belastet ihn nicht", berichtete Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff in der Halbzeitpause des vorletzten Testspiels vor der EM (10. Juni bis 10. Juli) der ARD: "Aber es ist unschön, weil er in eine Diskussion kommt, in der er nicht rein will. Blöd ist auch, dass seine Familie belastet wird, man fragt nun in der Nachbarschaft rum. Also alles Dinge, die man nicht in seinem Privatleben haben möchte."

Ehe Boateng am Sonntagabend zum 58. Mal für Deutschland auflief, hatte es zahlreiche Solidaritätsadressen gegeben. Boatengs Klubchef Karl-Heinz Rummenigge teilte in einer öffentlichen Stellungnahme mit: "Diskriminierungen jeder Art haben im Sport und in unserer Gesellschaft nichts verloren und verdienen die Rote Karte. Jerome Boateng ist ein wunderbarer Mensch und ein vorbildlicher Fußballprofi unseres Vereins. Wir sind stolz, dass er auch für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielt!"

Auch Liga-Präsident Reinhard Rauball und Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), verurteilten die Gauland-Aussagen in einer gemeinsamen Erklärung scharf: "Der Fußball und die gesamte Gesellschaft sind aufgerufen, sich von derartigen Gedanken ohne jeden Zweifel zu distanzieren. An dieser Stelle kann es keine Toleranz und erst recht kein Verständnis geben." Der neue DFB-Präsident Reinhard Grindel sagte der FAS, es sei "einfach geschmacklos", die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft "für politische Parolen zu missbrauchen".

AfD-Chefin Frauke Petry meinte in der Bild-Zeitung: "Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat." Dennoch entschuldigte sie sich "bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist". Unter der Woche hatte bereits eine regionale Facebook-Gruppe von Pegida mit offenbar rassistisch geprägten Internet-Kommentaren versucht, sich über die Nationalmannschaft zu profilieren. Grindel hatte die Kommentare gegen Kinderfotos von Ilkay Gündogan und Boateng auf der Kinder-Schokolade als "geschmacklos" bezeichnet.

(sid)
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