EM-Qualifikation in Schottland Hector macht sich unentbehrlich

Glasgow · Der Kölner Außenverteidiger überzeugt beim 3:1 gegen Polen und weckt Hoffnungen für das heutige Spiel in Schottland. Hectors Pendant auf der rechten Seite, Emre Can, wirkt dagegen noch flatterhaft.

Joachim Löw findet mal wieder vieles "wahnsinnig" (gesprochen: waaahnsinnick). Die Intensität des Spiels gegen Polen zum Beispiel oder die Beweglichkeit von Mario Götze. Den nächsten Gegner findet er wahrscheinlich nicht so wahnsinnig. Das muss er auch nicht. Schließlich haben die Schotten in den zurückliegenden Jahren viel von ihrem Schrecken eingebüßt. Und nun haben sie auch noch in Georgien mit 0:1 verloren. Das setzt sie heute Abend im Hampden Park von Glasgow (20.45 Uhr/RTL), der ausschließlich der Nationalmannschaft vorbehalten und somit so etwas wie ein neutraler Boden zwischen den Erzrivalen Rangers und Celtic ist, unter Druck. "Sie müssen nun etwas investieren", sagt der Fußball-Bundestrainer. Von Wahnsinn ist nicht die Rede.

Eine etwas offensivere Spielanlage des Gegners könnte Löw in die Karten spielen. Das würde der DFB-Auswahl Räume eröffnen, mit denen die Offensivkräfte prima umgehen können. Sie haben das gegen die Polen bewiesen. Deren Bemühungen um eine zusammenhängende Abwehrblockade konterte Löw, indem er seine Außenverteidiger ganz weit vorzog, hoch verteidigen ließ, wie das heute heißt. Damit zog er die Abwehrreihen auseinander und verschaffte den Angreifern die Möglichkeit, "zwischen die Linien zu kommen". Auch das sagt man heute wahnsinnig gern.

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Deutschland - Polen: Einzelkritik

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Dort tobten sich die Deutschen aus. "Es ist uns gelungen, die Defensive mit einigen Kombinationen und guter Raumaufteilung aus den Angeln zu heben", erklärt Löw. Weil die Verteidiger allerdings so hoch standen, ist es der Mannschaft in Frankfurt nicht in jeder Phase gelungen, brandgefährliche Konter zu vermeiden. "Wir haben Polen teilweise zu Chancen eingeladen", bekennt Mittelfeldspieler Toni Kroos. Dennoch urteilt sein Coach: "Es war über weite Strecken ein Spiel, in dem wir uns wieder gut konzentriert haben."

Das wird heute Abend ebenfalls notwendig sein. Denn allein mit dem Wissen um spielerische Klasse werden die Deutschen in Glasgow nichts gewinnen. Ihr taktischer Lehrmeister ist freilich nicht gerade von Selbstzweifeln zerfressen. Es klingt eher schon wahnsinnig cool, wenn er feststellt: "Natürlich habe ich einen Plan. Wir werden konzentriert auftreten, und wir werden das Spiel gewinnen."

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Nichts in Löws Miene deutet darauf hin, dass diese Überzeugung zu erschüttern ist. Warum sollte sich auch der Weltmeister-Coach mit so irdischen Dingen wie der Angst vor dem Versagen befassen?

Schließlich hat ihm die Begegnung mit Polen gezeigt, dass sein Team "nach einem Jahr, wo wir nicht so gut gespielt haben", wie er selbst einräumt, einen Schritt nach vorn getan hat. Der mannschaftliche Zusammenhalt ist erhöht, das Angriffsspiel erinnert in seinem Einfallsreichtum an ganz gute Zeiten. Und Jonas Hector spielt die Position des linken Außenverteidigers inzwischen so, wie Löw sich das wünscht. Der Trainer rühmt "diese Klarheit, dieses einfache, technisch gute Spiel" des Verteidigers. Dass er ein Tor gegen die Polen herausragend vorbereitete, wird Hector auf seinem Weg bestärken.

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Sein Kollege auf der anderen Seite wirkte dagegen eher ungestüm und in der Abwehrarbeit flatterhaft. Löw nimmt Emre Can jedoch in Schutz. "Für mich war das ein gutes Debüt, er ist das ja nicht so gewöhnt, in der Viererkette zu spielen", sagt der Bundestrainer. Ein wahnsinnig gutes Debüt war es sicher nicht, aber wahnsinnig viel Konkurrenz gibt es auf dieser Position auch nicht. Und für ein paar Orientierungsprobleme im Spiel nach hinten hatte Löw mit der Taktik des extrem weiten Aufrückens der Außenverteidiger gesorgt.

Wenn seine Einschätzung stimmt, dann kann er gegen offensivere Schotten ein wenig zurückgezogener spielen lassen. Can hätte bestimmt nichts dagegen. Vielleicht spielt auch Sebastian Rudy an seiner Stelle. Das ist aber nicht so wahnsinnig wichtig.

(pet)
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