DFB-Team wird zum Goldesel Bierhoffs Kunstprodukt

Paris · Wie Oliver Bierhoff und ein Freund aus der Sportfördergruppe der Bundeswehr von 1987 das DFB-Team zum Goldesel machten. Die Nationalmannschaft ist mittlerweile durch und durch vermarktet. Im Verband finden das nicht alle gut.

Oliver Bierhoff – Europameister, Milan-Stürmer, Ex-DFB-Geschäftsführer
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Das ist Oliver Bierhoff

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Der Präsident hatte eine wichtige Botschaft. Und er verkündete sie an einem vornehmen Ort, mitten in Paris, am Fuß des Eiffelturms, vor dem dritten Gruppenspiel der deutschen Mannschaft. Reinhard Grindel präsentierte die Vertragsverlängerung des Deutschen Fußball-Bundes mit seinem Ausrüster Adidas. Dem Verband bringt der bis 2022 datierte Kontrakt 65 bis 70 Millionen Euro im Jahr ein. Der alte Vertrag garantierte lediglich 25 Millionen. Grindel sprach stolz von "den transparentesten, anspruchsvollsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Verhandlungen in der Geschichte unseres Verbands". Darunter macht er es einfach nicht.

Für den DFB ist der Vertrag in der Tat ein Quantensprung in der Zusammenarbeit mit Adidas. Das Herzogenauracher Unternehmen hatte sich bislang auf die traditionsreiche Geschäftsbeziehung berufen und deutlich weniger gezahlt, als mit anderen Ausrüstern am Markt möglich gewesen wäre. Nun zahlt man branchenübliche Preise. Neben Mercedes, dem Generalsponsor, steuert der Sportartikelhersteller den größten Batzen zu den Einnahmen des DFB bei. Der Autogigant steht mit jährlich 50 Millionen Euro zur Seite. Über die Beiträge der sogenannten Premiumpartner Bitburger, Coca-Cola, Commerzbank, Post, Telekom, SAP sowie der Partner Henkel, Rewe, McDonald's und Lufthansa ist Schweigen vereinbart. Die verordnete Transparenz hat enge Grenzen.

Bekannt wiederum ist, dass der DFB im Jahr 2015 rund 230 Millionen Euro eingenommen hat, 100 Millionen aus Sponsoring und Vermarktung, rund 62 Millionen aus Spieleinnahmen und der konkreten Vermarktung der Nationalmannschaft. Sie ist der Goldesel im Stall. Schon während der WM 2014 sagte Manager Oliver Bierhoff: "Wir nehmen durch die Nationalmannschaft rund 100 Millionen Euro im Jahr ein, das sind rund 70 Prozent des Umsatzes, und wir geben nur 25 Prozent aus. Der Rest geht an die Basis." Der Verband kann damit gute Werke tun, wie den Amateurfußball fördern, eine eigene Akademie auf dem Gelände der früheren Frankfurter Galopprennbahn errichten - oder der Kanzlei Freshfields 3,5 Millionen Euro für den Bericht über etwaige Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe der WM 2006 zahlen.

Kein Zweifel, dem DFB geht's gut, und dafür darf er sich natürlich bei der Nationalmannschaft bedanken. Zwei Männer haben an der Erfolgsstory des Wirtschaftsfaktors DFB-Auswahl den größten Anteil. Ihre gemeinsame Geschichte beginnt 1987. In der Sportfördergruppe der Bundeswehr begegnen sich zwei Rekruten, Oliver Bierhoff (19) und Denni Strich (20). Sie spielen ganz passabel Fußball und erreichen mit der Bundeswehr-Auswahl Platz zwei bei der Militär-WM. Strich spielt später als Profi für Union Solingen, Rot-Weiß Oberhausen und den FC Homburg. Bierhoff wird Europameister 1996 und Torschützenkönig in Italiens Serie A.

"Die Mannschaft" ist zur Marke geworden

Beim DFB treffen sie sich wieder. Strich ist inzwischen Marketingdirektor (seit 2002) und für Bierhoff wird 2004 das Amt des Managers der Nationalmannschaft eingerichtet. Das wird zum Startschuss für eine nie zuvor gesehene Vermarktungsoffensive. Der neueste Gag: Die Auswahl heißt "Die Mannschaft". Sie ist endgültig zur Marke geworden.

In Frankreich firmiert sie als "La Mannschaft", Betreuer und Spieler werden in abgedunkelten schwarzen Limousinen und Vans durch die Gegend gekarrt, der Mannschaftsbus ist schwarz, sogar das Propellerflugzeug, mit dem sie zu Spielen fliegen, ist schwarz. Überall prangt die Aufschrift "Vive la Mannschaft". Es ist nicht so leicht auszuhalten, aber erfolgreich. Der DFB kann es sich leisten, für die EM inklusive der Kosten für das 600.000 Euro teure Medienzentrum in Evian rund 25 Millionen Euro locker zu machen.

Ganz nebenbei hat Bierhoff die Mannschaft zu einer selbstständigen Einheit im Verband gemacht. Das gefiel vielen Funktionären ebenso wenig wie die Tatsache, dass er sich gemeinsam mit Trainer Joachim Löw eigene Vermarktungsverträge aushandelte. Und vor sechs Jahren standen die Vertragsverlängerungen der beiden vor dem Scheitern, weil durch gezielte Indiskretionen aus dem Verband Einzelheiten an die Öffentlichkeit gelangt waren.

Bierhoff und Löw blieben, weil in Südafrika der sportliche Erfolg im WM-Turnier schwerer wog als die Bedenken der Traditionalisten im Verband, die sahen, wie ihnen die Nationalmannschaft entglitt. Die Entwicklung des eigenständigen Produkts DFB-Elf konnten sie nicht aufhalten.

Dass diese Fassade auch mal Risse bekommen kann, war dieser Tage im besagten Medienzentrum zu sehen. Bierhoff wurde gefragt, ob die Quartierwahl in Evian am Fuß der französischen Alpen etwas damit zu tun habe, dass der deutsche Manager einst als Werbepartner Geschäfte mit dem ortsansässigen Industriegiganten Danone gemacht habe. Da wurde das smarte Lächeln kurz eingefroren, und Bierhoff zischte: "Du scheinst viel Zeit zu haben, auf solche Fragen zu kommen." Dann, etwas beherrschter: "Mit Danone hat das nichts zu tun." Das Lächeln taute wieder auf.

Und als Bierhoff in das schwarze Auto stieg, war er schon wieder ganz der smarte Manager. Natürlich stand auf dem Auto "Vive la Mannschaft".

(pet)
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