EM 2016 Nach dem 3:0 - Deutschland unterstreicht seine Titel-Ansprüche

Lille · Beim 3:0 über die Slowakei tritt die DFB-Auswahl wie ein Titelanwärter auf. Boateng, Gomez und Draxler sind die Torschützen.

 Jubel bei den deutschen Spielern nach dem 3:0 gegen die Slowakei.

Jubel bei den deutschen Spielern nach dem 3:0 gegen die Slowakei.

Foto: afp

Jedes dritte Auto im Umfeld des Stadions von Lille trug am Sonntag deutsche Kennzeichen. Und auch in der Arena waren die Gewichte klar verteilt. Die deutsche Nationalmannschaft erlebte im EM-Achtelfinale gegen die Slowakei ein Heimspiel. Die Nähe zur Grenze machte es möglich. Es war nicht allein die größere akustische Unterstützung, die das Team des DFB ins Viertelfinale brachte. Es lieferte beim verdienten 3:0-Erfolg auch den deutlich besseren Fußball ab. Kleines Manko: Die Chancenverwertung ließ erneut zu wünschen übrig.

Bereits zur Pause hätte die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw viel klarer als mit 2:0 führen müssen. Sie begann gegen die Slowaken, die sich tief in die eigene Hälfte zurückzogen, sehr schwungvoll. Und sie belohnte sich zeitig mit dem ersten Treffer. Die slowakische Abwehr wehrte einen Eckstoß von Toni Kroos in die Mitte ab. Dort stand zu ihrem Leidwesen Jerome Boateng, der den Ball mit Urgewalt und kleiner Mithilfe eines Abwehrbeins zu seinem ersten Länderspieltor ins Netz schmetterte.

Dank an die "Physios"

Anschließend spurtete der von seiner Wadenverletzung rechtzeitig genesene Verteidiger über das halbe Feld und fiel am Spielfeldrand Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und den anderen Mitarbeitern der medizinischen Abteilung in die Arme. "Die Physios haben die ganze Woche Vollgas gegeben", erklärte Boateng. "Ohne sie hätte ich nicht spielen können, deshalb habe ich mich bedankt."

Nicht einmal zehn Minuten waren gespielt. Und Mesut Özil hätte die Geschichte ein paar Minuten später bereits endgültig in ein ruhiges Fahrwasser bringen können. Er scheiterte allerdings mit einem zu lässig geschossenen Elfmeter am slowakischen Torwart Matus Kozacik. Das nahm der DFB-Auswahl keineswegs den Schwung, doch sie ließ weitere Chancen ein wenig zu locker liegen. Und sie hätte für diese Großzügigkeit beinahe die Quittung bekommen. Julian Draxler ließ Peter Pekarik beim Flanken gewähren, und Juraj Kucka köpfte sehr anständig aufs Tor. Manuel Neuer musste seine ganze Klasse aufbieten. Er lenkte den Ball über die Latte.

Vielleicht war es der Warnschuss zur rechten Zeit, denn mit dem nächsten, sehr zielstrebigen Angriff stockte der Favorit das Ergebnis auf. Draxler tanzte Kucka mit seiner Lieblingsbewegung, dem Übersteiger, aus und bediente Mario Gomez. Dem gelang ein typisches Mittelstürmertor. "Ich bin froh, dass Trainer und Mannschaft mir vertrauen", sagte Gomez artig. "Unsere Flexibilität im Angriff ist genial, die müssen wir beibehalten."

Die Slowaken waren nun aufgefordert, ihre Verteidigungshaltung aufzugeben, die sie selbst beim 0:1-Rückstand aufrecht erhalten hatten. Sie bemühten sich zumindest, ihre Formation ein Stückchen weiter nach vorn zu verschieben. Angst und Schrecken verbreiteten sie damit nicht, weil die Deutschen mit Ausnahme kleinerer Wackler im Aufbauspiel weitgehend konzentriert blieben.

Die Defensive hält stand

Ihre Defensivreihe hatte die Angelegenheit sicher im Griff, und im defensiven Mittelfeld wurde es nur unruhig, wenn Kroos und Sami Khedira es ein bisschen zu entspannt angehen ließen. Weil die Slowaken nicht mehr so tief standen wie in der gesamten ersten Hälfte, öffneten sich den Deutschen natürlich Räume zum Konter. Diese Angriffsmöglichkeiten wurden aber nicht entschlossen genug ausgespielt. Das erhielt der Partie im Norden Frankreichs so etwas wie Spannung. Freilich nicht sehr lange. Als Draxler nach einer Ecke von Kroos und der Kopfballverlängerung von Mats Hummels elegant zum 3:0 vollstreckte, hatte die DFB-Auswahl das Viertelfinale endgültig gebucht. Sie wird dort selbstverständlich härter gefordert, schließlich steht Italien oder Spanien im Weg. Ihre Ansprüche auf den Titel hat sie aber unterstrichen.

Löw konnte es sich bei der klaren Führung erlauben, zwei seiner Besten eine kleine Verschnaufpause zu gönnen. Boateng durfte ebenso wie Draxler frühzeitig vom Feld. Dafür kamen Benedikt Höwedes und Publikumsliebling Lukas Podolski. Der Kölner mit Wahlheimat Istanbul wurde bei jeder Ballberührung gefeiert. Und damit die Party fröhlich weiterging, brachte Löw auch noch Bastian Schweinsteiger, den die deutschen Anhänger als "Fußballgott" verehren. Auch ihm gaben sie einen großen Empfang.

(pet)
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