18 Minuten am Stück ohne Ballkontakt Mario Götze — die unsichtbare Mitte

Evian · 18 Minuten sind im Fußball eine Ewigkeit. Im "Jahrhundertspiel" zwischen Italien und Deutschland (4:3 n.V.) 1970 fielen in diesem Zeitraum fünf Tore. Robert Lewandowski brauchte für seinen Fünferpack gegen den VfL Wolfsburg weniger als die Hälfte. Und Mario Götze?

Deutschland - Ukraine: Einzelkritik zur EM-Partie
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Deutschland - Ukraine: Einzelkritik

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Foto: ap, AF FP

Der WM-Held hatte im deutschen EM-Auftaktspiel gegen die Ukraine (2:0) ewig lange 18 Minuten und 26 Sekunden nicht einmal den Ball am Fuß. Er war im Angriff die unsichtbare Mitte.

Der Statistik-Dienstleister deltatre hat es exakt aufgeschlüsselt. Von der 18. bis zur 37. Minute, von 21.18 Uhr und 24 Sekunden bis 21.36 Uhr und 50 Sekunden fand der Ball keinen Weg zu Mario Götze. Oder umgekehrt.

Dabei ist Deutschland nicht zuletzt dank Götze Weltmeister, dem Schützen des einzigen Tores im Finale gegen Argentinien. Dass Bayern München trotz dieses Heldenstatus auf Lebenszeit für ihn keine Verwendung mehr hat, dürfte Götze trotz anderslautender Bekenntnisse inzwischen verstanden haben.

Umso mehr freute er sich auf die EM. Hier, bei der Nationalmannschaft, findet er eine kleine Oase. Hier wird er gehegt und gepflegt, er hat ein solch hohes Standing, dass ihn Bundestrainer Joachim Löw trotz einer starken Saison des Rivalen Mario Gomez gegen die Ukraine von Beginn an aufbot. Es schien die richtige Bühne für Götze, um endlich wieder zu glänzen. Sich so ganz nebenbei für andere Klubs zu empfehlen.

Und dann das. Götze hatte mit dem Spiel kaum etwas zu tun. Ein einziger Schuss Richtung Tor wurde für ihn registriert, er wurde geblockt. Götze lief viel, doch der Ball war eigentlich nie da, wo er war. Fast überall bekam er die schlechteste Note. Pointe: Der für ihn eingewechselte Bastian Schweinsteiger bewirkte in drei Minuten mehr.

Eigentlich ist Götze für das Spiel gegen Polen am Donnerstag (21 Uhr/Live-Ticker) ein klarer Bankkandidat. Richtige Neun statt falscher, Mario G. (omez) statt Mario G. (ötze) sollte eigentlich die Devise lauten.

Doch Löw wird Götze vermutlich wieder aufstellen. Weil er ihm stets den Rücken stärkt. Weil Götze "Dinge kann, die andere nicht können". Und weil er an das 3:1 gegen Polen in der EM-Qualifikation denkt. Das war Götzes bestes Länderspiel, ja, wohl sein bestes Spiel überhaupt in den vergangenen Jahren: Zwei Tore, ein Pfostenschuss, eine Rettung auf der Linie. "Es gibt schlechtere Tage", sagte er damals.

Davon hat der "Supersuperspieler" (Bayern-Trainer Pep Guardiola) seitdem viele erlebt. Zum Beispiel gegen die Ukraine. Doch Franz Beckenbauer verteidigte ihn. "Es lag nicht an ihm, sondern am System", sagte Deutschlands Fußball-Kaiser bei bild.de: "Er hatte wenig Unterstützung, aber er hat sich sehr viel bewegt."

Vielleicht sind einfach auch die Erwartungen zu hoch nach jenem magischen Moment im Maracana 2014. Abwehrspieler Benedikt Höwedes, der im WM-Finale den Pfosten traf, verneinte jedenfalls die Frage, ob er Götze um das Siegtor beneide. Denn dann hätte sich für ihn "vielleicht mehr verändert als gewollt".

Götze sieht das ganz anders. "Natürlich träume ich davon, auch in Paris das Finaltor zu schießen", sagt er. Dann wären alle negativen Statistiken vergessen.

(sid)
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