EM-Test gegen Slowakei Kimmich träumt von Frankreich

Düsseldorf/Ascona · Der Bayern-Spieler hat ebenso wie die jungen Kollegen Leroy Sané, Julian Weigl und Julian Brandt Chancen aufs EM-Ticket. Im Länderspiel gegen die Slowakei wollen die Youngster ihre Qualitäten unter Beweis stellen. Kimmich und Sané stehen in der Startelf.

Die jungen Herren wissen, was sie zu sagen haben. Natürlich wissen sie das. Denn sie sind alle beim großen DFB durch die Schule der Nachwuchsmannschaften gegangen. Julian Brandt (20), Leroy Sané (20), Julian Weigl (20) und Joshua Kimmich (21) geben sich im Trainingslager der A-Nationalmannschaft in Ascona artig, wohlerzogen und bescheiden. Ihren Ältesten haben die vier Nachwuchskräfte offenbar zum Wortführer bestimmt. Kimmich, der mit dem FC Bayern München in seiner ersten Saison kurz mal das Double aus Meisterschaft und Pokalsieg gewonnen hat, darf erklären, wie sich das so anfühlt, wenn die nähere Karriereplanung plötzlich die Teilnahme an einer Europameisterschaft vorsehen könnte. "Es ist ein Riesentraum für uns alle", sagt er vor dem vorletzten EM-Test gegen die Slowakei ( Sonntag,17.45 Uhr/Live-Ticker) in Augsburg.

#DieMannschaft: Leno - Hector, Khedira ©, Draxler, Rüdiger, Boateng, Götze, Rudy, Gomez, Sané, Kimmich. #JederFuerJeden #GERSVK ^^J.Grittner

— Die Mannschaft (@DFB_Team) May 29, 2016Er hat sogar schon die Sprachregelung zur Hand, wenn es nun doch nichts wird mit der Reise nach Frankreich, wenn Bundestrainer Joachim Löw nächsten Dienstag ihre Namen fürs endgültige Aufgebot streicht. Da baut der kluge Nachwuchsmann vor. "Es ist eine Zeit, die wir genießen sollten, die ein Bonus ist", erklärt Kimmich. Der Kollege Weigl von Borussia Dortmund nickt dazu, weil er gerade zusammen mit dem Bayern auf dem Podium sitzt. Die beiden anderen Jungs würden das auch tun, solange sie in der Öffentlichkeit nach ihrer Einschätzung gefragt werden. Dass sie sich dennoch größere Hoffnungen auf eine persönliche Tour de France machen, steht selbstverständlich außer Frage.

Löw macht ihnen Mut. "Wir haben in unserer Auswahl schon auch Spieler dabei, die jederzeit einsetzbar sind", erklärt der Bundestrainer. Und er hat sich bei den ersten Trainingseinheiten im Tessin ein eigenes Bild von den Fähigkeiten seiner jungen Spieler gemacht. Sein Urteil: "Sie haben eine große Ruhe und Sicherheit am Ball." Das ist die Grundvoraussetzung für einen Platz im EM-Kader. "Deshalb", sagt Löw, "sind sie eingeladen." Mit einem Einsatz dürfe noch jeder aus dem Nachwuchs-Quartett nicht nur im Test gegen die Slowaken rechnen, sondern auch im EM-Ernstfall, "egal, wie alt er ist und welche Erfahrung er hat". Löw muss das sagen, weil es doch einige Ungewissheiten um die Besetzung einst fest vergebener Planstellen gibt. Denn noch humpeln Bastian Schweinsteiger, Mats Hummels und Marco Reus ziemlich kräftig, Sami Khedira immerhin noch ein bisschen. Und es ist nicht erkennbar, wie Löw das fußballerische Problem auf der rechten Abwehrseite lösen will.

Das erhöht die Chancen für Kimmich. Der 21-jährige Wahl-Münchner ist nicht nur ziemlich selbstbewusst, er hat auch nachgewiesen, dass er über eine verblüffende Vielseitigkeit verfügt. Das hebt er selbst ganz gern hervor. "Ich habe auf vielen verschiedenen Positionen gespielt", erklärt er. Bei Pep Guardiola war er schon Mittelfeldspieler, Innen- und Außenverteidiger. Und es wird gemunkelt, dass er beim Geheimtest der Nationalmannschaft gegen die U-20-Auswahl im Trainingslager (7:0) mindestens 20 Minuten auf der rechten defensiven Außenbahn Dienst getan haben soll.

Im zentralen Mittelfeld, dem Maschinenraum des deutschen Spiels, ist Kimmich neben Weigl eine Alternative, falls es nun gar nichts werden sollte mit Schweinsteigers Mission EM. Der Dortmunder Weigl hat die komplette Saison im defensiven Mittelfeld gespielt. Er machte nicht den Eindruck, als seien Spiele gegen die Bayern oder Liverpool grundsätzlich furchtbar anstrengend für ihn. Er blieb locker, spielstark und hat seinen letzten schweren Abspielfehler wahrscheinlich irgendwann im Training bei seinem früheren Klub München 1860 gemacht.

Der Schalker Sané und der Leverkusener Brandt bewerben sich um Plätze in der Offensive. Dort ist die Luft zwar besonders dünn, weil die DFB-Auswahl in den Positionen hinter der zentralen Spitze außerordentlich gut besetzt ist. Sollte aber nun Reus erneut ausfallen, diesmal wegen hartnäckiger Beschwerden im Bereich der Adduktoren, die ihn nach dem DFB-Pokalfinale befielen, stehen die jungen Menschen bereit. Auch für den Fall, dass Brandts Teamkollege Karim Bellarabi Löws letzten Eignungstest nicht besteht, sind die beiden tauglicher Ersatz. Brandt hat eine sehr starke Schlussphase der Bundesliga-Saison gespielt, und von Sanés Qualitäten hat sich der Bundestrainer vergangenes Jahr in der Vorbereitung auf das vom Terror überschattete Länderspiel in Paris gegen Frankreich überzeugen können. Sané habe, sagt Löw, "diese besondere Bewegung".

Das ist übrigens den Beobachtern von Bayern München ebenfalls aufgefallen. Sie sollen sich bereits nach den finanziellen Bedingungen für einen Wechsel des Schalkers erkundigt haben. Sané könnte seinen Marktwert durch eine EM-Teilnahme noch steigern. Bei Schalke hat er sich eine Ausstiegsklausel in den Vertrag verhandelt. Im nächsten Sommer dürfte er für 37 Millionen Euro wechseln. Das ist eine Summe, bei der es den meisten normalen Menschen schwindlig wird. Wer Sané in diesem Juli aus dem Vertrag herauskaufen will, der muss noch viel mehr bezahlen. Bayern winkt nach "Bild"-Informationen mit 60 Millionen Euro. Auch ohne EM dürfte sich der Spieler künftig keine großen Sorgen ums Auskommen mehr machen.

(pet)
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