DFB-Elf Charakterköpfe im Team von Löw

Evian · Die deutschen Nationalspieler Sami Khedira, Mats Hummels und Bastian Schweinsteiger haben ihre eigene Meinung - und äußern diese auch.

 Sami Khedira, Mats Hummels und Bastian Schweinsteiger gehen im Team von Joachim Löw voran.

Sami Khedira, Mats Hummels und Bastian Schweinsteiger gehen im Team von Joachim Löw voran.

Foto: Ferl

Fußballer haben mit zunehmendem Alter zwei Möglichkeiten. Entweder bleiben sie einfach Spieler, vermeintlich für immer jung, ein bisschen ewiges Kind. Sie werden dann wie Lukas Podolski. Oder sie wechseln ins Fach des Charakterdarstellers. Sie nehmen mit hochernster Miene Stellung zu den sportpolitischen Themen des Alltags, sie ermahnen den Nachwuchs zur richtigen Arbeitseinstellung, sie bieten den Verzagten ihre breite Brust. Und sie erzählen der Öffentlichkeit, wo es lang geht. Dann werden sie wie Sami Khedira, Mats Hummels und Bastian Schweinsteiger, die drei Charakterköpfe des Weltmeisters, der gerade in Frankreich Europameister werden will. Der Reihe nach:

Sami Khedira, der (Ober-)Lehrer. Sami Khedira (29) war schon als 19-Jähriger nicht so richtig jung. Er sah jedenfalls nicht so aus. Beim (damals) großen VfB Stuttgart hatte er auf dem Platz bereits eine führende Rolle inne, und er unterstrich sie mit seinem Auftreten. Der stolz durchgedrückte Rücken, die aufrechte Haltung, seine Präsenz auf dem Feld wiesen ihn als außerordentliche Figur aus. Er wurde mit 20 Jahren deutscher Meister, und er fand es sicher selbstverständlich, dass die Kollegen in der U-21-Nationalmannschaft, die er 2009 als Kapitän zum Europameistertitel führte, zu ihm aufblickten. Darunter waren Benedikt Höwedes, Mesut Özil und Manuel Neuer, heute sind sie alle Weltmeister.

Auch wenn Khedira verletzt im Finale von Rio fehlte, trug er ebenso maßgeblich zum Titelgewinn bei. Und er hatte längst in der Öffentlichkeitsarbeit des Teams seine Rolle gefunden. Wenn er sich vor ein Mikrofon stellt oder auf ein Podium setzt, dann erklärt er seinem Publikum gern die Welt und wo es die falschen Schlüsse zieht. So hat er dem Fußballvolk jüngst die Erfolgsaussichten in einem Turnier definiert. Den Titel gewinne nicht das beste Team, "ich meine das fußballerisch beste Team", sondern "das mental stärkste". Das sei auch die Qualität der deutschen Weltmeister gewesen. Und wer das nicht sieht, der hat es nicht verstanden. Khedira schaut dann kurz streng und verbittet sich damit eine Gegenrede.

Mats Hummels, der Mediensprecher. Mats Hummels (27) beherrscht dieses Fach ebenfalls. Er ist schon früh mit seinen Wortbeiträgen aufgefallen, und er konnte sich viele Wortbeiträge leisten, weil er gut und treffend formuliert, und weil er auf dem Platz schnell eindrucksvolle Vorstellungen bot. Nur solchen Kräften hört man zu.

Hummels ist ein Meister in der Kunst, Kritik zu üben, von der er sich gleichzeitig sofort ausnimmt. Wenn er nach schwächeren Spielen seiner Mannschaften zur Analyse schreitet, dann klingt er wie ein Trainer, der schließlich nichts dafür kann, wenn einem Abwehrspieler der Ball durch die Beine fliegt. Selbst dann nicht, wenn dieser Abwehrspieler Mats Hummels war.

Er ist nicht nur ein begabter Mediensprecher in eigener Sache, er gibt sich auch gern als Beauftragter zur Vermittlung anspruchsvollerer Wahrheiten. So gefällt es ihm genauso wenig wie dem verehrten Kollegen Khedira, wenn die deutschen Fußballfans dem ganzen Brimborium, das letzten Endes auch die Marketingabteilung des DFB um "la Mannschaft" veranstaltet, derart auf den Leim gehen, dass sie den Titelgewinn von Rio längst tüchtig verklärt haben. Da schreitet Hummels aber ein. "Es wird so getan, als hätten wir bei der WM den Weltfußball dominiert", hat er der "Süddeutschen Zeitung" gesagt, "es geht mir zunehmend auf den Zeiger, dass manche Leute nicht in der Lage sind, das vernünftig zu reflektieren."

Bastian Schweinsteiger, der Mann hinter den Kulissen. Bastian Schweinsteiger (31) hat im gehobenen Alter schon lange verstanden, was Leistung und überdrehte Wahrnehmung voneinander unterscheidet. Er kennt diesen Zirkus aus zwölf Jahren bei der Nationalmannschaft und einem halben Leben in Deutschlands führendem Fußball-Zirkus Bayern München. Er hat den öffentlichen Auftritt jenseits des Rasens nie gesucht, inzwischen ist er außerhalb der sportlichen Bühne am liebsten unsichtbar. Das gibt ihm etwas Geheimnisvolles, und weil er inzwischen bereits vornehm ergraut, ist er so etwas wie der ältere Staatsmann im Team.

Er hat großen Einfluss in der Mannschaft, und Bundestrainer Joachim Löw machte ihn vor zwei Jahren zum Kapitän, obwohl schon da abzusehen war, dass er den zehrenden Kampf mit seinem Körper auf Dauer immer seltener gewinnen würde. Löw braucht den großen Schweinsteiger, der auf dem Platz immer noch die Dirigentenrolle beansprucht und der durch seine legendäre Leistung im WM-Finale bereits zu fußballerischen Lebzeiten eine Art Unsterblichkeit erlangt hat. Zu so einem schauen auch die auf, in deren Alltag für Heldenverehrung wenig Platz ist. Vielleicht sogar solche wie Joshua Kimmich.

(pet)
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