Herausforderung erst im Viertelfinale Deutschlands EM erinnert an die Bayern in der Königsklasse

Düsseldorf · Pep Guardiola ist in seinen drei Jahren beim FC Bayern oft am Abschneiden in der Champions League gemessen worden. Auch Bundestrainer Joachim Löw kennt das Schicksal, dass es vor dem Viertelfinale nur Pflichtaufgaben gibt und es dann plötzlich ernst wird. Richtig ernst.

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Karl-Heinz Rummenigge hat sich noch nicht zu Wort gemeldet. Dabei hätte der Vorstandvorsitzende des FC Bayern allen Anlass, die Kassette aus dem Frühjahr noch einmal aufzulegen, sozusagen einen EM-Remix der Setzlisten-Diskussion aus der Champions League. "Wenn ich die anderen Spiele anschaue, wie Schweiz gegen Polen — das ist natürlich von der Qualität etwas ganz anderes als heute Italien, das nun aus dem EM-Turnier fliegt", könnte Rummenigge sagen. Im März war die Schweiz noch "Wolfsburg", Polen hieß "Gent" und Italien "Juve".

Vielleicht wartet Rummenigge noch ab, weil "heute" gar nicht heute ist, sondern erst am Montag, wenn Italien im Achtelfinale auf Spanien trifft und sich ein EM-Favorit gezwungenermaßen aus dem Turnier verabschiedet. Wer auch immer sich durchsetzt, der trifft im Viertelfinale auf die deutsche Nationalmannschaft, falls die gegen die Slowakei oder Albanien nicht überraschend bis sensationell rausfliegt. Das ist in etwa so, als würde der FC Bayern in der Champions League schon früh auf Juventus Turin oder Real Madrid treffen.

Überhaupt erinnert diese Europameisterschaft aus deutscher Sicht bislang schwer an eine Königsklassen-Saison der Bayern. Die beginnt in der Regel auch erst im Viertelfinale so richtig. Los geht's mit der Gruppenphase gegen den FC Arsenal, Olympiakos Piräus und Dinamo Zagreb. Der deutsche Rekordmeister kann im Grunde gar nicht ausscheiden. 15, 16 oder 18 Punkte? Das ist vielmehr die Frage.

Bundestrainer Joachim Löw hatte sich diese von Realismus gestützte Pseudo-Überheblichkeit vor der EM zu eigen gemacht. "Ich benötige zwei Mannschaften für dieses Turnier", sagte der 56-Jährige im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". "Eine Mannschaft bis zum Achtelfinale — und dann eine zweite Mannschaft." Nun dürfte sich die Aufstellung in den K.o.-Spielen nicht wesentlich verändern, die Anforderungen an die einzelnen Akteure allerdings schon. Löw teilt dabei in gewisser Weise Pep Guardiolas Schicksal der vergangenen drei Jahre. Gemessen wird er an Titeln, Halbfinal-Niederlagen mit erhobenem Haupt, ansehnlichem Fußball und Fanmeilen-Empfang sind ziemlich 2006.

Auch die Zahlen der Vorrunde ähneln denen der abgelaufenen Champions-League-Saison des FC Bayern auf frappierende Weise:

  • Deutschland: 66,5 Prozent Ballbesitz, 88,1 Prozent Passgenauigkeit, 20,7 Torschüsse pro Spiel
  • Bayern München: 66,6 Prozent Ballbesitz, 89,3 Prozent Passgenauigkeit, 21,3 Torschüsse pro Spiel

Nur die Torbilanz bei der EM lässt noch zu wünschen übrig. Zwei bis drei Treffer von Thomas Müller gegen Nordirland hätten die Analogie nahezu perfekt gemacht. Doch die deutsche Nationalmannschaft hat noch nicht den FCB-Müller an Bord. Der 26-Jährige versuchte sich im Pariser Prinzenpark am Grand Slam des Chancen-Versiebens: daneben, gehalten, Pfosten, Latte, drüber, nur nicht drin.

Als fragwürdige Belohnung für eine überzeugende, aber noch nicht überragende Vorrunde ist das deutsche Team auf einem knüppelharten Zweig gelandet. Die Slowakei und Albanien erlauben noch einen Einsatz von Team Deutschland I. Nach einem Viertelfinale gegen Italien oder Spanien würde es Team Deutschland II im Halbfinale mit Frankreich oder England zu tun bekommen, wenn es keine großen Überraschungen gibt.

Auf der anderen Seite des Tableaus tummelt sich neben Portugal und Belgien wohl nur B-Prominenz wie Kroatien (die immerhin Spanien geschlagen haben), Polen, die Schweiz und Wales. Immerhin wäre das Schlimmste schon überstanden, wenn Deutschland das Finale am 10. Juli erreicht. Nur müssten die Analogien zum FC Bayern bis dahin auf der Strecke bleiben.

(jaso)
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