DFB-Team bei der EM Turniermannschaft im Turniermodus

Lille · Bei der EM in Frankreich steigert sich die deutsche Nationalmannschaft von Spiel zu Spiel. Und Bundestrainer Joachim Löw sieht noch immer viel Luft nach oben. Das darf durchaus als Drohung an die Konkurrenz verstanden werden.

EM 2016, Deutschland - Slowakei: Einzelkritik
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Deutschland - Slowakei: Einzelkritik

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Foto: dpa, hm

Die allseitigen Ehrbezeugungen waren ihm gar nicht recht. Joachim Löw verzog ein wenig das Gesicht, als nach dem 3:0-Achtelfinalerfolg über die Slowakei sein Team wieder zum großen EM-Favoriten ausgerufen wurde. "Bei allem Respekt", sagte er, "aber die Slowakei war nicht der Gegner, der uns gefordert hat. Die Topmannschaften kommen jetzt erst. Und wir müssen uns in allen Bereichen steigern."

Die Konkurrenz könnte genau das als Drohung verstehen. Denn sie hat gesehen, dass die deutsche Mannschaft bislang in jedem ihrer vier Spiele die berühmte Schippe draufgelegt hat. Und sie weiß, dass in ihr noch gehöriges Steigerungspotenzial steckt. Die DFB-Auswahl konnte es sich erlauben, gegen die Slowakei eine zweite Halbzeit im Sparmodus abzuspulen, und Spieler wie der Mittelfeld-Chefstratege Toni Kroos mussten nicht einmal ansatzweise an die Grenzen gehen. Das wird Löw mit innerlicher Wonne registriert haben, mit sehr innerlicher Wonne, denn nach außen ließ er das Gefühl nicht.

Löw gibt den Mahner

Er gefiel sich besser in der Rolle des Mahners. Die nächsten Gegner ab dem Viertelfinale seien allesamt aus der gehobenen Kategorie, "da darf man keine Fehler machen, denn die werden schon auch sofort bestraft". Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seiner eigenen Länderspielgeschichte belegen das. Deutschland scheiterte im WM-Halbfinale 2006 an der Cleverness der Italiener, im EM-Finale 2008 an der Konzentrationsfähigkeit der Spanier, im WM-Halbfinale 2010 an einem Mangel an eigener Zuversicht (wieder gegen Spanien) und im EM-Halbfinale 2012 gegen die Italiener, weil Löw selbst taktische Fehler beging. Fußball auf gehobenem Niveau verzeiht keine Nachlässigkeiten, nicht einmal beim Coaching.

Deshalb hat Löw sehr nachdrücklich darauf hingewiesen, "dass wir bislang gegen Gegner gespielt haben, die nicht zu den Top 10 gehören". Und er stellte seiner offensiv stetig besser spielenden Mannschaft deutlich größere Schwierigkeiten in der Entfaltung in Aussicht. "Wir werden sicher nicht wieder so viele Chancen bekommen wie gegen die Slowakei", erklärte der Bundestrainer, "es kommt nun auch darauf an, wenige Chancen entschlossen zu nutzen."

Das ist nun kein neues Lied, das er da anstimmt. Aber es dient dazu, den Geist seiner Mannschaft zu schärfen. Zu düster muss Löw die sportliche Zukunft freilich nicht malen. Und sein Team darf mit einer gehörigen Portion Selbstsicherheit ins Viertelfinale gehen. Das liegt auch an einer inzwischen gut funktionierenden Offensive. Mario Gomez, der seine Treffsicherheit aus der türkischen Liga mit nach Frankreich gebracht hat, stellte hocherfreut fest: "Die Flexibilität, die wir in den letzten Spielen hatten, ist genial." Tatsächlich sind die deutschen Angreifer nur sehr schwer zu greifen, weil sie die Botschaft ihres Trainers gehört haben, der sie nach dem Polen-Spiel zu mehr Laufarbeit anhielt.

Außerdem stimmt die Mischung der Spielertypen in der vorderen Linie. Thomas Müller ist zwar vor dem Tor (noch) glücklos, dafür ackert er für die Kollegen die Räume frei. Mesut Özil hat mit seinen kleinen, spielbestimmenden Ballbewegungen wieder geniale Momente. Er ist aus dem Halbfeld viel wirkungsvoller als direkt hinter der Spitze, auch wenn er das selbst manchmal nicht glaubt. Und Julian Draxler erlebte gegen die Slowakei seinen Durchbruch im DFB-Team. Ein Treffer und eine Torvorbereitung, viele gelungene Dribblings, reichlich Spielfreude - Draxler gab ein großes Versprechen auf die Zukunft ab.

Löw will von einer Idealformation aber nichts wissen. "Ich weiß nicht, ob die Mannschaft im nächsten Spiel genauso aussieht", erklärte er, "wir haben viele Möglichkeiten, und vielleicht müssen wir auch mal etwas ändern bei Sperren oder Verletzungen." Das war nun aber schon ein Blick über den Horizont des Viertelfinals hinaus. Und natürlich hat Löw Höheres im Sinne als einen Rang unter den ersten Acht des Turniers. Eigentlich, so räumte er ein, gehe die Veranstaltung jetzt erst richtig los. "Nun kommt Top-Qualität auf uns zu", sagte er, und er schaute dabei gar nicht verzweifelt.

Das muss er auch nicht. Seine Mannschaft ist auf dem richtigen Weg. "Es macht Riesenspaß", stellte Gomez fest. Angst machen ihm die nächsten Gegner nicht. Das verbietet die Logik im deutschen EM-Programm. "Unser Ziel ist der Titel", sagte der Mittelstürmer, "da müssen wir die großen Nationen schlagen." Früher oder später.

(pet)
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