Hodgson nach 0:0 in der Kritik Englische Presse schimpft auf "Selbst-Sabotage"

Saint-Etienne · Nur drei Tore, nur ein Sieg: Nach enttäuschender Vorrunden-Bilanz zittert England vor einem möglichen Viertelfinale gegen Frankreich. Trainer Roy Hodgson wird für seine missglückte Rotation schwer kritisiert.

Roy Hodgson: Englische Presse schimpft auf "Selbst-Sabotage"
Foto: ap, AF FP DLM

"Selbst-Sabotage", "Flickschusterei", "Lotteriespiel" - Englands Coach Roy Hodgson bekam für seine missratene Rotation eine deutliche Quittung der heimischen Zeitungen. Die harmlosen Three Lions zittern nach dem 0:0 gegen die Slowakei und dem verpassten EM-Gruppensieg nun vor einem harten Gang durch die K.o.-Runde mit einem möglichen Viertelfinale gegen Gastgeber Frankreich.

"Wenn ein Trainer sechs Spieler austauscht, ist die einzige Rechtfertigung das Ergebnis. Und das hat Roy Hodgson nicht erreicht", kritisierte die "Daily Mail" (Dienstag) den Coach. "Er hat es für England sehr schwer gemacht, über das Viertelfinale hinauszukommen. Und das ist sein Job. Alles andere ist nur Gelaber."

"Wir werden eines Tages Tore schießen"

Da wollte auch der harsch angegangene 68-Jährige das Ergebnis seiner verwirrenden Personalwechsel nicht schönreden. Es sei "frustrierend und enttäuschend", bekannte Hodgson, den Kopf müde auf die rechte Hand gestützt. Nur wenig später ging der Coach aber schon zur Kampfansage an den nächsten Gegner über: "Bald wird jemand bezahlen müssen, wir werden eines Tages Tore schießen."

Nur wann? Der zunächst überraschend geschonte Wayne Rooney stapfte missmutig vom Rasen und rauschte wortlos zum Mannschaftsbus, unterm Arm den Kulturbeutel, den Bilder seiner Kinder zieren. Dass England als zweitplatziertes Team der Gruppe B im Achtelfinale steht und zunächst frühen Duellen mit Hochkarätern wie Deutschland oder Spanien aus dem Weg geht, konnte niemanden besänftigen.

Nach dem Aufeinandertreffen mit Portugal, Ungarn, Island oder Österreich am kommenden Montag in Nizza wäre Gastgeber Frankreich der wahrscheinlichste Kontrahent in der Runde der besten Acht. "Hodgsons Lotteriespiel geht nach hinten los", schrieb der "Telegraph".

Erneut waren die Three Lions das dominierende Team, machten aber zu wenig aus ihren Möglichkeiten. Auch bei den ersten Startelfeinsätzen von Jamie Vardy und Daniel Sturridge bei dieser EM blieb die Ineffizienz frappierend: 28:4-Schüsse verbuchte England, insgesamt 65 Versuche nach drei Spielen waren bis Dienstag die meisten des Turniers. Das Resultat: nur drei Tore, lediglich ein Sieg, Platz zwei hinter Wales. "Zweitklassig", titelten "Sun", "Mirror" und "Telegraph" in ungekannter Einigkeit angesichts der Schmach, dass der kleine britische Rivale den großen Bruder überflügelte.

Vor dem ersten Alles-oder-Nichts-Spiel steht Hodgson nun vor dem Dilemma, keiner eingespielten Top-Formation vertrauen zu können. Im Vergleich zu den vorigen Gruppenspielen tauschte der Trainer-Routinier ein Sextett aus, darunter die beiden zuvor enttäuschenden Stürmer Harry Kane und Raheem Sterling sowie auch Rooney. "England führungslos ohne Rooney, als Hodgson es vermasselt", titelte die "Times". Einen "Besserwisser" schalt die "Sun" den Trainer. Und auch Ex-England-Kapitän Alan Shearer kritisierte die Rochaden: "Ich stimme nicht mit Hodgson überein, weil es lebenswichtig ist, ein Momentum zu bekommen."

Joe Hart: "Hatte noch gar nichts zu tun"

Der Stimmungsaufschwung durch den 2:1-Erfolg gegen Wales ist nun erst einmal dahin, auch wenn zumindest die Defensive bislang weniger Sorgen als befürchtet macht. "Ich hatte das ganze Turnier noch nichts zu tun", betonte Torwart Joe Hart mit fester Stimme. "Wir sind in der nächsten Runde, und niemand will gegen uns spielen."

Zumindest in einer Disziplin ist England aber der Lieblingsgegner des gesamten Kontinents: Mit Beginn der K.o.-Runde drohen wieder die ungeliebten Elfmeterschießen. "Elfmeter im Training und Elfmeter vor vielen Leuten sind verschiedene Dinge, das wissen wir in England", unkte Hodgson schon angesichts einer 1:6-Bilanz bei großen Turnieren. So gab es am Ende doch noch einen positiven Aspekt am verpassten Gruppensieg und dem späteren Achtelfinal-Termin. "Wenigstens geben ihnen die zwei freien Extra-Tage mehr Zeit, Elfmeter zu trainieren", spottete die "Times".

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort