Heldenhafter Empfang in Lissabon Ronaldos umjubelte Rückkehr als Europameister

Die Rückkehr von Europameister Portugal wurde zum Triumphzug. Als der humpelnde Cristiano Ronaldo und die neuen Europameister am Montagnachmittag mit dem silbernen Pokal durch die Straßen von Lissabon fuhren, da schien es, als habe die ganze Stadt mit ihren mehr als 500.000 Einwohnern die Arbeit niedergelegt.

Europameister 2016:  Portugal feiert seine EM-Helden in Lissabon
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Portugal feiert seine EM-Helden in Lissabon

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Glückselige, dankbare, begeisterte Portugiesen jubelten ihren Helden zu, die sich in zwei offenen Doppeldeckerbussen durch die Menschenmassen vorankämpften. Auf dem Weg vom Flughafen zum Präsidentenpalast herrschte ein Ausnahmezustand der schönen Art.

Portugal sei durch den EM-Erfolg zu einem anderen Land geworden, betonte der Staatschef. "Die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Probleme sind für viele Portugiesen die gleichen geblieben, aber es gibt einen Unterschied. Die Seleccao hat ein Beispiel dafür gegeben, dass man mit Mut, Entschlossenheit, Kampfeswillen, Bescheidenheit und Teamgeist zum Erfolg finden kann."

Ronaldo und Trainer Fernando Santos hatten den Pokal aus dem Flugzeug getragen, auf dessen Rumpf ein Bild des großen Eusebio klebte, eine Hommage an den größten aller großen Fußballer der portugiesischen Geschichte. Ronaldo blickte versonnen auf die Trophäe, wie am Vorabend, als er sie endlich, nach zwölf quälend langen Jahren, zum ersten Mal in den Händen halten durfte: Er hatte sie an sich gerissen, geschüttelt und heiß und innig geküsst - seine Karriere war in diesem Augenblick vollendet. Er sah glücklich aus, demütig und dankbar.

"Ich habe seit 2004 darum gebetet, dass ich noch eine Chance bekomme", sagte Ronaldo. 2004 hatte er als 19-Jähriger das Finale der EM in Portugal verloren, 0:1 gegen Griechenland. Seine Gebete wurden erhört, er bekam seine Chance - und musste nach 25 Minuten unter Tränen ausgewechselt werden. Alles schien verloren, doch ein Mann namens Eder (109.) schoss Ronaldo und Portugal zum 1:0 (0:0) n.V. gegen Frankreich schließlich ins Glück.

Das Märchen vom "hässlichen Entlein"

"Nicht der Schwan hat getroffen, sondern das hässliche Entlein", sagte Trainer Santos, ein Satz, der das gesamte Turnier für seine Mannschaft gut zusammenfasste. Ronaldo und seine Portugiesen hatten sich durch die Vorrunde gequält, sie belegten nur Rang drei in ihrer Gruppe, mogelten sich danach an Kroatien vorbei, besiegten Wales. Ihr Fußball war destruktiv, unansehnlich, Ronaldo teils wenig überzeugend - aber: am Ende erfolgreich. Die Uefa wählte neben Ronaldo denn auch gleich noch drei weitere Europameister (Pepe, den künftigen Dortmunder Raphael Guerreiro und Torhüter Rui Patricio) ins EM-Allstarteam.

Portugal verkraftete im Finale sogar den Ausfall seines Superstars, der nach einem Foul von Dimitri Payet (8.) mit einer Innenbandverletzung im linken Knie erst weitermachte, dann aber mit einer Trage vom Platz geholt werden musste. "Das war hart", gestand Abwehrspieler Pepe, "wir haben alle Hoffnungen in ihn gesetzt, weil er ein Spieler ist, der in jeder Minute ein Tor schießen kann." Nun konnte er nicht mehr, doch die Portugiesen sagten sich: Jetzt erst recht!

"Als er gesagt hatte, dass er nicht weitermachen kann, habe ich meinen Mitspielern gesagt: Wir gewinnen es für ihn, wir kämpfen für ihn", sagte Pepe. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran, er hielt den Laden zusammen, er spielte nicht weniger überragend als ein paar Meter hinter ihm Rui Patricio, der die Franzosen mit Glanzparaden zur Verzweiflung brachte. Einer konnte nicht mehr für alle, also: alle für einen, alle für Portugal.

Obwohl: Ronaldo tat, was in seiner Macht stand. Er stand an der Seitenlinie, er gestikulierte, motivierte, fast war er mehr Trainer als Santos. "Er hat uns unterstützt, er hat uns Stärke gegeben", sagte Éder. "Fantastisch" sei die Halbzeit-Ansprache Ronaldos gewesen, berichtete Rechtsverteidiger Cedric. "Er hat immer daran geglaubt, dass heute die Nacht der Nächte, unsere Nacht war", lobte Trainer Fernando Santos den Optimismus seines Kapitäns

Es gab aber keinen Spieler, der nicht auch den echten Trainer lobte. Santos, gekommen aus Griechenland, hatte die Portugiesen im Spätsommer 2014 übernommen. Sein erstes Spiel war: eine Niederlage (1:2), gegen Frankreich, im Stade de France. Danach gelang es ihm, eine homogene Mannschaft aus den Alten und Jungen zu bilden.

"Wir repräsentieren die portugiesischen Menschen", sagte Pepe und betonte: "Wir waren demütig." Das galt eben auch für Ronaldo. Der 31-Jährige, unter anderem dreimaliger Weltfußballer und dreimaliger Gewinner der Champions League, wollte diesen Titel so sehr, dass er dafür seine Gesundheit aufs Spiel setzte. "Unser Kapitän ist unglaublich, er hat einen riesigen Spirit, er investiert doppelt so viel wie alle anderen", sagte Santos.

"Diese Trophäe ist für alle Portugiesen und für alle, die mit uns geweint haben", sagte Ronaldo. Und Staatspräsident Marcelo Rebelo betonte voller Pathos: "Wir haben gezeigt, dass wir alle Widrigkeiten überwinden können."

In der Tat.

(sid)
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