Frankreich vor der EM Parfüm mit Kloaken-Geruch

Paris · Sieben Monate vor der EM ist in Frankreich auch im Umfeld des Länderspiels gegen Deutschland kaum Euphorie zu spüren. Über allem schwebt die Frage: Was wird aus Michel Platini?

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Polizei nimmt Benzema in Paris fest

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Foto: afp, MA/QL

Am Flughafen "Charles de Gaulle" oder auf dem Weg in die Innenstadt von Paris deutet nichts auf das Großereignis hin. Die Fußball-EM in Frankreich 2016 (10. Juni bis 10. Juli)? Die Hauptstädter haben derzeit andere Sorgen. Am Freitag, dem Tag des Länderspiels der Equipe tricolore gegen die deutschen Weltmeister, beherrschten Frankreichs Polit-Star Emmanuel Macron oder die Angst vor einem weiteren terroristischen Anschlag die Schlagzeilen.

Nur die große Sporttageszeitung L'Equipe versuchte, mit einem Foto von Bastian Schweinsteiger und Paul Pogba vom WM-Viertelfinale 2014 sowie dem Titel "Parfum d'Euro" Lust zu machen. Doch die ist kaum zu spüren. Dieser "EM-Duft" hat für viele Fans zwischen Paris und Bordeaux angesichts der Affären im Weltfußball, in die Uefa-Präsident Michel Platini tief verstrickt ist, eher den Geruch der Kloake.

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Dabei sollte die EM doch so etwas wie das Abschiedsgeschenk von "Platoche" an die Franzosen sein, der sich im kommenden Jahr an die Spitze der Fifa wählen lassen wollte. Jetzt droht dem vom Weltverband suspendierten Platini eine mehrjährige, wenn nicht sogar lebenslange Sperre. Selbst in Frankreich wird der einst geliebte Spielmacher inzwischen verspottet. L'Equipe zeigte ihn in einer Karikatur mit einem Katarer, der dem bedröppelten Michel zuraunt: "Du weißt halt nicht, wie's geht!"

Jacques Lambert, OK-Präsident der EM, steht noch in Treue fest zu seinem "Freund". Dieser habe sich zwar spät vom skandalumwitterten Fifa-Boss Joseph S. Blatter distanziert, "aber besser spät als nie", sagte er bei football365.fr: "Es braucht sehr viel Courage und innere Stärke, das zu tun, was Michel Platini getan hat." Die Unterstützung wundert kaum: Lambert und Platini organisierten als OK-Chef und Vize 1998 die WM in Frankreich. Als der ebenfalls von der Fifa suspendierte Funktionär Chuck Blazer vor wenigen Monaten nahelegte, dass auch dieses Turnier gekauft worden sei, wies Lambert dies brüsk zurück.

Dass die Franzosen angesichts solcher Meldungen keine allzu große Vorfreude auf die EM verspüren, ist aus seiner Sicht kein Problem. "Die EM ist derzeit noch nicht die Nachricht von morgen, die Begeisterung wird im Turnierverlauf steigen", sagte er. Der Erfolg des Turniers werde wie 1998 "wesentlich von unserer Nationalmannschaft abhängen", glaubt er. Die Blauen gehören zwar zu den Favoriten, plagen sich aber mal wieder mit einem Sex-Skandal herum, in den ausgerechnet ihr großer Star Karim Benzema verwickelt ist.

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Foto: dpa, isl hm

Auch die Rahmenbedingungen sorgten für Ärger. Obwohl die Spielorte nahezu identisch mit denen von 1998 sind, musste weit über eine Milliarde Euro investiert werden, um die Stadien fit zu machen. Mancherorts verzögerten Gerichtsverfahren den Um- oder Neubau, Finanziers zogen sich zurück. Nancy, das in einem undurchsichtigen Deal unter Mithilfe des früheren Nancy-Profis Platini überhaupt erst in den Kreis der EM-Städte aufgenommen worden war, schied nach dem Rückzug der Kommune als Gastgeber aus.

Am Donnerstag mühte sich Uefa-Sponsor adidas, unweit des Finalstadions in St. Denis bei der Vorstellung des EM-Balls Vorfreude zu entfachen. "Ich bin sicher, er wird dem französischen Team Glück bringen", sagte der ehemalige Superstar Zinedine Zidane über das Spielgerät mit dem Namen "Beau Jeu" (schönes Spiel). Und es ist ja wirklich so: Wenn der Ball erst einmal rollt, wird alles andere verdrängt.

(sid)
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