Frankreich steht im EM-Finale Vive la France!

Düsseldorf · Der Einzug ins Finale ist Balsam für die Seele eines Landes, das in den vergangenen Monaten zu viele schlechte Erfahrungen gemacht hat. Ein Sieg von Frankreich gegen Portugal würde dem französischen Lebensgefühl guttun.

Frankreich kommt ins Finale, nachdem es Deutschland geschlagen hat - Pressestimmen
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Pressestimmen zu Deutschland - Frankreich

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Foto: ap, AF FP

Frankreich ist obenauf. Endlich mal wieder. Der Einzug ins Endspiel der Fußball-Europameisterschaft weckt ein altes Gefühl, das der Grande Nation, und lässt all die Sorgen und Probleme der vergangenen Monate zumindest für ein paar Stunden in Vergessenheit geraten.

Davon hatte das Land zuletzt mehr als gewünscht: eine Serie von Attentaten im November vergangenen Jahres und im Januar, triumphale Wahlerfolge des rechtspopulistischen Front National, hohe Arbeitslosigkeit, Streiks wegen harmloser Reformen, die ungewisse Zukunft der EU nach dem Brexit und einen schwer angeschlagenen Präsidenten Francois Hollande. All das hatte das französische Lebensgefühl, das früher bei Plaudereien, Wein und Zigaretten in Bistros ausgelebt wurde, stark beeinträchtigt.

Selbst zum Turnierbeginn wollte nicht überall in Frankreich die rechte Stimmung aufkommen. Das Land, in dem Boule und Rugby lange einen höheren Stellenwert hatten als Fußball, fremdelte mit der Leichtigkeit eines französischen Sommermärchens - auch weil am ersten Spieltag in Marseille russische Horden und englische Hooligans wüteten und für die kommenden Tage Schlimmstes befürchten ließen.

Die nach dem Zweiten Weltkrieg gewachsene deutsch-französische Freundschaft, die die Basis des friedvollen Europas bildet, ruhte auf dem Rasen in Marseille für 90 Minuten. Doch diese 90 Minuten, an deren Ende Frankreich 2:0 gegen Deutschland gewonnen hatte, veränderten das Land. Die Probleme sind nicht gelöst, doch die Stimmung. Der Sieg hat das angeknackste Selbstbewusstsein der Franzosen gestärkt.

"Ein Erfolg, der in der Geschichte des französischen Fußballs verewigt sein wird. Gegen Deutschland, den Weltmeister. Der Angstgegner seit 1958." So jubelte selbst die wirtschaftsliberale und gesellschaftskonservative Tageszeitung "Le Figaro" nach dem Sieg. Er wirkt wie eine Befreiung. Endlich herrscht im gesamten Land die Stimmung, die sich die Gastgeber erhofft hatten, endlich wird auch auf dem Prachtboulevard Champs-Elysees gefeiert. "Das sollte uns allen ein wenig Moral und Vertrauen zurückgeben in das, was Frankreich ist", sagte Staatssekretär Jean-Marie Le Guen.

Im Endspiel gegen Portugal will Frankreich seinen 16-Jahres-Rhythmus wahren. Nach dem Gewinn der Europameisterschaft 1984 und 2000 will die Equipe bei ihrer dritten Final-Teilnahme den Titel zum dritten Mal gewinnen. Die Chancen sind gut, denn für die Gastgeber spricht nicht nur der Heimvorteil, sondern auch die Mehrzahl der Statistiken. Drei Mal standen sich die beiden Mannschaften bei großen Turnieren im Halbfinale gegenüber (EM 1984, EM 2000, WM 2006), drei Mal setzten sich die Franzosen durch. "Ich bin sicher, dass uns das nicht beeinflusst", sagt der portugiesische Trainer Fernando Santos. Doch auch die aktuellen Vergleiche sprechen für Frankreich: Sie haben im Turnier die meisten Tore erzielt (14/Portugal 8), sie sind im Abschluss stärker, die Pässe kommen häufiger an und sie haben weniger Gegentreffer (4/5) kassiert.

Das Endspiel ist zugleich das Duell der beiden Stars: Antoine Griezmann trifft auf Cristiano Ronaldo. Der Franzose führt die Torschützenliste dieser EM mit sechs Treffern an und hat zwei weitere vorbereitet, Ronaldo ist mit insgesamt neun Treffern der EM-Rekordtorjäger. Nur allzu gerne würde Griezmann zudem eine Rechnung mit Ronaldo begleichen, denn der Franzose verlor mit Atletico Madrid Ende Mai das Champions-League-Finale gegen Real mit 4:6 nach Elfmeterschießen. Ein reizvolles Duell.

(ths)
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