Frankreich in Tränen "Es ist so frustrierend, das nervt und schmerzt"

Saint-Denis · Frankreich weint um seine große Chance. Die Equipe tricolore hat ihre nationale Mission nicht erfüllt.

EM 2016: Tränen und Frust bei den Franzosen
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Tränen und Frust bei den Franzosen

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Nichts und niemand konnte Frankreichs gescheiterte Fußball-Helden trösten. Blaise Matuidi weinte hemmungslos, Didier Deschamps sprach von einer "grausamen, schrecklichen" Niederlage, und Antoine Griezmann wollte nur noch weg. Zu tief saß der Schmerz, zu qualvoll war das Scheitern in letzter Minute für eine ganze Nation. "Es ist hart, ein Finale so zu verlieren. Die Enttäuschung, auch für die Millionen französischen Fans, ist riesig", sagte Nationaltrainer Deschamps nach dem 0:1 n.V. gegen Portugal.

Auch am Tag danach stand der Mannschaft die Enttäuschung noch ins Gesicht geschrieben. Staatspräsident Francois Hollande hatte am Montag zu einem gemeinsamen Mittagessen in den edlen Elysee-Palast geladen. Deschamps und Co. kamen in feinen Anzügen, doch auf dem gemeinsamen Foto vor Hollandes Residenz fiel allen auch mit etwas Abstand das Lächeln schwer.

Griezmann bester Spieler des Turniers

Die Equipe tricolore wollte das Land mit dem Titel glücklich machen, stattdessen herrschten Fassungslosigkeit und Entsetzen von der Normandie bis an die Cote d'Azur. "Es ist so frustrierend, das nervt und schmerzt", sagte Griezmann. Der 25-Jährige wurde zwar zum besten Spieler des Turniers gekürt und mit sechs Treffern auch bester Torschütze der EURO, seine Trophäe nahm er jedoch ohne Regung entgegen und verließ das Stade de France völlig enttäuscht um 1.01 Uhr als Erster. "Ich bin unglaublich enttäuscht, das war nicht unser Abend", sagte der Profi von Atlético Madrid.

Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande emfpängt Nationalteam
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Hollande empfängt französisches Team

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Griezmann wurde im vergangenen Monat zum Gesicht einer jungen Mannschaft, er eroberte mit seinen Treffern die Herzen seiner Landsleute und soll der Star der neuen Generation werden. 18 Jahre nach dem WM-Sieg an gleicher Stelle verpassten es die Franzosen jedoch, in die Fußstapfen von Zinedine Zidane und den anderen Helden zu treten. Nach Jahren voller Skandale und Tiefschläge wieder einen Titel zu gewinnen, blieb ihnen verwehrt. "Natürlich gibt es Dinge, die man bereut, wenn man ein Finale verliert", sagte Matuidi, der seinen Emotionen wie kein Zweiter freien Lauf ließ.

Der 29-Jährige vergoss bittere Tränen und war nur schwer wieder zu beruhigen. Doch tief in der Nacht sah der Mittelfeldspieler von Paris St. Germain auch etwas Positives: "Wir haben das französische Volk wieder zusammengebracht, ihnen Freude geschenkt. Die Menschen haben sich dank unserer Arbeit für Fußball begeistern lassen."

Eder beendet alle Titelträume

Frankreich ist von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen gezeichnet, die EM im eigenen Land lenkte zumindest für eine Weile davon ab. Und so wurde auch in der Fanzone unter dem Eiffelturm geweint, nachdem der Portugiese Eder mit seinem Treffer in der Verlängerung (109.) alle Titelträume beendet hatte. Einige verloren dabei auch die Nerven: Nach Ausschreitungen wurden 40 Personen festgenommen.

"Eder hat den Traum zerbrochen. Es war ein Messerstich mitten ins Herz", urteilte die Sporttageszeitung L'Equipe, Le Courrier de l'Ouest schrieb: "Der blaue Traum ist zerplatzt. Das grausamste aller möglichen Enden." Und Le Parisien befand: "Es war so grausam! Frankreich hat die EURO nicht gewonnen, aber wir glauben trotzdem, dass eine neue Mannschaft geboren ist."

Davon geht auch Didier Deschamps aus. Als Spieler wurde der 47-Jährige selbst Welt- und Europameister, in St. Denis vor den Toren von Paris verlor er nun sein erstes große Finale als Nationaltrainer. "Es schmerzt, aber es ist nicht das Ende des Weges. Wir glauben, dass bessere Tage in der Zukunft liegen", sagte Deschamps, der seinen bis 2018 laufenden Vertrag erfüllen will: "Das ist mein Plan, aber ich brauche Zeit, das zu verarbeiten."

So wie alle anderen Franzosen. "Wir hätten dieses Turnier gewinnen können, aber wir werden stärker zurückkommen. Diese Mannschaft hat eine großartige Zukunft", sagte Griezmann. Mit seinem Doppelpack im Halbfinale gegen Weltmeister Deutschland (2:0) hatte "Grizou" enormen Anteil am Finaleinzug.

Und trotzdem riss am Sonntag eine beeindruckende Serie: Bei großen Turnieren im eigenen Land hatten die Franzosen seit der Heim-EM 1984 ganze 18 Spiele in Serie nicht verloren. Doch als es um die Krönung ging, versagten ihnen vor dem Tor die Nerven. "Wir haben zu viele Chancen liegen lassen, das war entscheidend", sagte Griezmann.

(sid)
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