"Wird ewig ein Teil von mir sein" Wales-Coach Coleman und die Tragödie um einen toten Freund

Chris Coleman, Teammanager von Wales, gilt als taktisch clever. Seine Geschichte ist geprägt vom Selbstmord von Gary Speed. Und einem Computerprogramm.

 Chris Coleman

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Chris Coleman denkt noch immer an Gary Speed, fast jeden Tag. "Speeds könnte jetzt auch hier sitzen und genießen, was wir genießen. Leider ist das nicht möglich", sagte der Erfolgstrainer der walisischen Nationalmannschaft am Dienstag über seinen Vorgänger und Jugendfreund, der sich 2011 das Leben genommen hatte. Wenn Wales am Mittwoch im EM-Halbfinale auf Portugal trifft (21 Uhr/Live-Ticker), werde auch Speed "irgendwie" mit dabei sein, sagt Coleman.

Speeds Selbstmord, 15 Tage nach einem 4:1-Sieg gegen Norwegen, hatte den walisischen Fußball im November 2011 in einen Schockzustand versetzt. Coleman hat nur noch vage Erinnerungen an jenen Tag. "Ich war Trainer in Larissa, kurz vor Anpfiff vibrierte mein Handy. Ein Freund schrieb: 'Schreckliche Nachrichten. Speeds hat sich umgebracht'. Das folgende Spiel habe ich wie in einem Nebel erlebt."

Die genauen Gründe für den Selbstmord sind bis heute ungeklärt, auch Coleman wurde völlig überrascht. "Wir kannten uns, seit wir zehn oder elf Jahre alt waren. Es war ein Schock", sagt er. Zwei Monate später hörte er in Griechenland auf und wurde Speeds Nachfolger. "Keine leichte Aufgabe", wie er heute sagt.

Coleman startete mit fünf Niederlagen in Folge, Speeds Tod hatte Spuren hinterlassen. Nach einem peinlichen 1:6 in Serbien wollte er hinwerfen, der Abend sei der "sportlich schlimmste, den ich je erlebt habe", sagte er dem SID. Im Nachhinein jedoch habe an diesem Tag die Wende begonnen: "Wir waren am Ende, am Nullpunkt. Wir konnten endlich neu anfangen und alles hinter uns lassen."

Coleman führte andere Reisewege ein, das Team schlief in anderen Hotels, es gab andere Abläufe. Und er bestimmte einen neuen Kapitän, statt Aaron Ramsey trägt nun Ashley Williams die Binde. Seither läuft es. "Chris wollte nicht zu schnell alles ändern. Aber seit er dem Team seinen Stempel aufgedrückt hat, ist er einfach unglaublich", sagt Superstar Gareth Bale: "Er hat jeden Stein umgedreht, und jetzt zahlt es sich aus."

Einer der Steine, auf die Coleman verstärkt setzt, ist ein Computerprogramm namens "Globall Coach". Die Analyse-Software untersucht das Spiel des Gegners in verschiedenen Phasen des Spiels und bietet taktische Lösungen in Form von Animationen an. Seit der Einführung ist die Siegquote der Waliser um 25 Prozent gestiegen.

Die Karriere des Gary Speed
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"Globall Coach war entscheidend in unserer Vorbereitung auf die EM-Spiele. Es erlaubt unseren Trainern, den Spielern alle notwendigen Details zu verdeutlichen", sagt Osian Roberts, technischer Direktor beim walisischen Verband. Auch das überraschende 3:1 gegen Belgien im Achtelfinale sei dem Programm zu verdanken.

Und natürlich Chris Coleman. Der 46-Jährige, der seine aktive Karriere nach einem Autounfall beenden musste und schon mit 32 Trainer in Fulham wurde, war zuletzt sogar als neuer England-Coach im Gespräch. "Ich? Das würde ich nie in Betracht ziehen. Ich bin Waliser durch und durch", ließ Coleman wissen und fügte an: "Das ist der beste Job der Welt." Bestimmt dachte er auch dabei an Gary Speed.

(sid)
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