Portugiese dreht bei EM auf Nanis langer Weg aus den Slums ins Halbfinale

Marseille · Es ist eine herzzerreißende Geschichte. Nani, der mit richtigem Namen Luis Carlos Almeida da Cunha heißt, ist der jüngste Spross von neun Kindern. Geboren wird er in der kapverdischen Stadt Praia, doch die Familie zerbricht.

EM 2016: Nani feiert Viertelfinaleinzug mit Sohn Lucas
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Nani feiert Viertelfinaleinzug mit Sohn Lucas

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Die Mutter geht zunächst mit ihren neun Kindern nach Portugal, doch ist das Leben am Existenzminimum für sie unerträglich. Schweren Herzens zieht sie mit sieben ihrer Kinder weiter und sucht ihr Glück in den Niederlanden. Nani und einen Bruder lässt sie bei ihrer Schwester, die die beiden Jungen im sozialen Brennpunkt östlich von Lissabon aufzieht.

Natürlich spielt Nani als Kind auf der Straße Fußball. Erst mit 16 Jahren schließt er sich einem Verein an, und am Donnerstag trifft er im Viertelfinale mit Portugal auf Polen. In den vergangenen Tagen hat er EM-Geschichte geschrieben, denn er hat beim 1:1 gegen Island das 600. Endrunden-Tor erzielt. Er hat auch beim 3:3 gegen Ungarn getroffen, und im Spiel gegen Kroatien (1:0 n.V.) hat er sein 100. Länderspiel absolviert. Doch im Formbarometer der Uefa taucht der 29-jährige offensive Mittelfeldspieler, der nach der EM für eine festgeschriebene Ablösesumme von 8,5 Millionen Euro von Fenerbahce Istanbul zum FC Valencia wechselt, nicht in den Top 100 auf.

Das stört ihn jedoch nicht sonderlich. Da ärgert er sich weitaus mehr über die Kritik, die aufgrund der spielerischen Leistungen an der portugiesischen Nationalelf laut geworden ist, und wehrt sich energisch: "Das Wichtigste ist zu gewinnen. Und unser Ziel ist es, jedes Spiel zu gewinnen. Wenn wir das Finale erreichen sollten, wird auch jeder zufrieden sein." Nani, der erst seit 13 Jahren in einer Mannschaft spielt, aber schon sein fünftes großes Turnier bestreitet, kommt von ganz unten und will jetzt nach ganz oben: "Unsere Ambitionen werden höher. Wir können weit kommen und von der Trophäe träumen."

Trotz aller Träumerei verliert Nani nicht die Realität aus den Augen. "Die Polen haben nicht nur Lewandowski", sagt er. "Wir müssen uns auf das ganze Team konzentrieren." Inzwischen ist es aber viel mehr als der Traum vom Titel. Die Portugiesen haben - bei allem Respekt vor den Polen - das Erreichen des Endspiels als Ziel formuliert. "Wir wollen ins Finale", sagt Außenverteidiger Raphael Guerreiro, der zu Borussia Dortmund wechselt. "Das ist unser oberstes Ziel." Schon am Donnerstag will Ronaldo EM-Geschichte schreiben, denn ihm fehlt nur noch ein Treffer zum EM-Torschützenrekord, den Michel Platini (9) hält.

(ths)
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