Nach dem letzten "Huh!" Islands Helden haben Blut geleckt

Islands EM-Helden wurden in der Heimat empfangen, als hätten sie den Titel gewonnen - und träumen schon von der nächsten großen Überraschung.

EM 2016: Gänsehaut-Empfang für Islands Helden
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Gänsehaut-Empfang für Islands Helden

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Nachdem im überfüllten Zentrum von Reykjavik das letzte "Huh!" zu Ehren der isländischen EM-Helden verklungen war, nahm Kapitän Aron Gunnarsson gleich den nächsten Coup ins Visier. "Es wird schwierig, die Gruppe ist stark", sagte der Anführer der umjubelten Heimkehrer mit Blick auf die Qualifikation für die WM 2018 in Russland, "aber wir haben schon darüber gesprochen, was es jetzt braucht."

Was genau das ist, wollte Gunnarsson am Montagabend vor Tausenden begeisterten Fans zu Füßen des in Bronze gegossenen Stadtgründers Ingólfur Arnarson nicht verraten. Doch die wackeren Wikinger haben es bei ihrer sensationellen "Tour de France" bis zum Aus im Viertelfinale gegen Frankreich (2:5) ja bereits vorgeführt. "Wir haben gesehen, wie stark wir sein können, wenn wir zusammenstehen", sagte Trainer Heimir Hallgrimsson bei der Willkommensfeier am Hügelchen Arnarhóll, "wir sind heute stolz, Isländer zu sein."

Mit diesem Stolz, mit Teamgeist, Wille und taktischer Disziplin soll auch der Traum von der ersten WM-Teilnahme in Erfüllung gehen. Allerdings: In keiner anderen Quali-Gruppe sind vier EM-Starter vertreten, Island trifft auf Kroatien, die Ukraine und die Türkei, außerdem auf Finnland und Neuling Kosovo. Zudem muss sich Island nach dem Abschied von Hallgrimssons Mentor und Kollegen Lars Lagerbäck neu (er-)finden.

"Wir waren vier Jahre zusammen", sagte Hallgrimsson, "das ist länger als in Island viele Ehen halten. Er wird immer in unseren Herzen bleiben." Der bescheidene Schwede Lagerbäck versuchte, seine Rührung mit Witz zu überspielen. "Ich habe nur die Hälfte verstanden, aber glaubt ihm nichts!", rief er auf Englisch. Dann würdigte er Mannschaft und Stab - sowie die Fans. "Das ist noch beeindruckender als 80.000 in Paris, ihr seid absolut fantastisch", sagte er.

In der Tat: Die Anhänger bereiteten ihren Helden einen Empfang, der eines Europameisters würdig gewesen wäre. Als das Flugzeug mit den Stars an Bord extra tief über der Stadt zur Landung ansetzte, brandete frenetischer Jubel auf. Bei der anschließenden Parade im offenen Doppeldeckerbus - in den Nationalfarben und mit der Aufschrift "Fyrir sland" (für Island) - kamen die Kicker nur im Schritttempo voran. "Da hatten viele Leute Tränen in den Augen", sagte Hallgrimsson.

Premierminister Sigurdur Ingi Johannsson nannte das Team einen "nationalen Schatz". Es habe bewiesen, dass es "Märchen noch immer gibt". Verbandschef Geir Thorsteinsson meinte: "Die Jungs haben zwar das Turnier nicht gewonnen, aber Millionen von Herzen auf der ganzen Welt erobert." Am Arnarhóll stimmten Spieler und Fans gemeinsam den mittlerweile in ganz Europa bekannten "Víkingaklapp" ("Huh!") an.

Auch die vor der EURO weithin namenlosen Spieler sind inzwischen Fans und Experten auf dem ganzen Kontinent ein Begriff. Abwehrspieler Ragnar Sigurdsson wird angeblich vom FC Liverpool umworben, gut die Hälfte der (stets unveränderten) Startelf träumt von der Premier League. Kein Wunder, dass Gunnarsson voller Vorfreude vorausblickte. "Jetzt wollen wir diesen Meilenstein genießen, aber dann geht es gleich an die nächste Aufgabe", sagte er.

(sid)
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