"Wir sind immer noch hungrig" Islands ergreifender EM-Abschied

Nach der märchenhaften EM hat Island richtig Lust auf die große Fußball-Bühne bekommen. Kapitän Aron Gunnarsson peilt direkt die WM-Qualifikation an. Für die Wikinger wird sich nun einiges ändern.

Island verabschiedet sich mit einem letzten "Hu!"
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Foto: dpa, hm

Aron Gunnarsson wischte sich die Tränen aus den Augen und schmetterte den Fans ein letztes trotzig-stolzes "Huh" entgegen. Ari Skulason liebkoste seine kleine Tochter, gemeinsam posierten die Wikinger für ein Gruppenbild vor ihren Anhängern.

Selbst eine halbe Stunde nach Abpfiff sangen die begeisternden Zuschauer aus der isländischen Kurve im ansonsten leeren Stade de France immer weiter ihre melancholischen Lieder.

Vom 2:5 gegen Gastgeber Frankreich im Viertelfinale ließen sich die geschlagenen EM-Helden ihr ergreifendes Fußball-Märchen nicht lange vermiesen - und kündigten stattdessen eine Rückkehr auf die große Bühne an. "Die Jungs sind noch lange nicht satt, wir sind immer noch hungrig", betonte der bärtige Kapitän Gunnarsson weit nach Mitternacht. "Wir können jetzt nicht aufhören. Wir haben diese Erfahrung gemacht und wir wollen sie wieder haben."

EM 2016: Frankreich - Island: die Bilder des Spiels
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Frankreich - Island: die Bilder des Spiels

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Als Europameister der Herzen verabschiedeten sich die Isländer aus Frankreich. Die Klatsch-Choreographie mit "Huh"-Schreien adaptierten die Fans des Gastgebers bereits. In der Fankurve fieberte der neu gewählte Präsident Gudni Johannesson im Trikot mit, am Montagabend war ein Empfang auf dem Hügel Arnarhóll in der Hauptstadt Reykjavík geplant. Dort verfolgten am Sonntagabend wieder Zehntausende Menschen, wie das isländische Team trotz eines niederschmetternden 0:4 zur Halbzeit niemals aufgab und bis zum Ende kämpfte.

"Wir sind so stolz auf unser Team", sagte TV-Reporter Gudmundur Benediktsson der Deutschen Presse-Agentur. Augenzwinkernd fügte der frühere Nationalspieler, der mit seinem Kommentar selbst zur Kultfigur wurde, hinzu: "Wir können uns wirklich nicht beschweren - es ist schwierig, die EM im ersten Versuch zu gewinnen."

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Foto: dpa/Thibault Camus

Auch der scheidende Coach Lars Lagerbäck schwärmte von all der Zuneigung aus Island und der ganzen Fußball-Welt. "Ich fühle das ganz tief in meinem Herzen. Bis auf die ersten 45 Minuten gegen Frankreich habe ich jede Minute genossen, es war ein Privileg." Auch wenn seine Zeit als isländischer Cheftrainer nach viereinhalb Jahren endet, hält sich der 67 Jahre alte Schwede eine Fortsetzung seiner langen Karriere noch offen.

Beim kleinsten EM-Teilnehmer übernimmt wie schon vor dem Turnier verabredet der gleichberechtigte Coach Heimir Hallgrímsson die alleinige Verantwortung - und will Island auch durch die Qualifikation für die WM 2018 führen. "Vielleicht können wir es jetzt auch zu einer Weltmeisterschaft schaffen, aber das ist viel härter", sagte Hallgrímsson. In der Gruppe mit Kroatien, der Ukraine, der Türkei, Finnland und dem Kosovo schafft nur der erste den sicheren Sprung zum Turnier nach Russland.

Zuvor geht es für die Spieler des EM-Debütanten aber zurück zu ihren Vereinen - die häufig noch Odense BK, Hammarby IF oder Charlton Athletic heißen. "Ich wäre überrascht, wenn nicht viele isländische Spieler jetzt zu größeren Clubs gehen", sagte Hallgrímsson.
"Isländische Spieler werden beliebter werden. Diese Spieler hier haben vorgelebt, was der Geist Islands ist."

So könnten zukünftig vielleicht auch mehr als die beiden Profis Jon Bödvarsson (1. FC Kaiserslautern) und Alfred Finnbogason in der Bundesliga auflaufen. "Wir haben Botschaften aus der ganzen Welt bekommen, dass sie mit uns fiebern", schwärmte der Augsburger Finnbogason - wehrte jeden Gedanken an die WM-Qualifikation aber erst einmal ab: "Jetzt ist es Zeit für ein bisschen Urlaub."

(dpa)
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